Valadas versinkende Gaerten
das Mädchen aus dem Haus zu bekommen, das ist für mich wirklich kein Verlust. Ganz im Gegenteil. Wie, sagtest du, heißt sie?«
»Nazik«, erwidere ich.
Es war also vergebens. Unser Schicksal ist besiegelt.
Allah, was denke ich da? Habe ich von »unserem Schicksal« gesprochen in Gedanken? Nazik und ich.
Ich und Valada.
Wo bin ich? Wo stehe ich?
Diese Szene eben mit der Prinzessin – hat sie mir nicht deutlich gemacht, dass ihre Liebe zu mir auch Gnade ist?
Nein, das darf ich nicht glauben.
Dennoch: So sehr es auch schmerzt. Ich liebe beide. Heillose Verstrickung.
VALADA.
Dieser Tag taumelt umher, als sei er betrunken.
Noch während ich meine Anweisungen für das morgige Treffen mit dem Richter gebe, erreichen mich Boten von Ibn Abdus. Eine Sänfte wartet vor dem Haus, mich zum Alcazar zu bringen, um eine wichtige Nachricht entgegenzunehmen.
Eine wichtige Nachricht?
Der Wesir lässt mich sicher nur zu sich rufen, wenn es um . . . Staatsgeschäfte geht, also um einen Omayaden. HatIbn Zaydun irgendetwas entdecken können? Ich dachte nicht, dass er so schnell fündig würde. Offenbar hat mein wütender Brief etwas bewirkt.
Ich mache mich in aller Eile auf den Weg, und der Himmel verzeih mir, dass ich in diesem Augenblick nur auf meine ehrgeizigen Träume aus war und nicht auf das, was der Dichter weiter für mich herausbekommen sollte. Vielleicht war ich auch durch die wirre Geschichte und die offensicht liche Not meines kleinen Weibchens durcheinander.
So rausche ich, sehr Prinzessin, in den Mailis des Hadjib, der mich zu meiner Verwunderung in bequemen Polstern empfängt. Vor ihm ist der Schachteppich ausgerollt, weiße und rote Felder. Die Figuren sind bereits in einer Endphase des Spiels, und auf der Gegenseite hockt mit untergeschlagenen Beinen einer seiner Schreiber, der die rote Seite spielt und der, wenn ich die Situation auf dem Feld richtig deute, gerade dabei ist, gegen seinen Herrn zu gewinnen, was ihm offensichtlich Angstschweiß entlockt.
Man hat mich in diesem Spiel unterrichtet, seit ich ein Kind war, und obwohl ich es sehr bald gut beherrschte, habe ich es von Anfang an gehasst. (Anders als Muhdja und Kasmuna, die beide leidenschaftliche Spielerinnen sind.) Ich habe nicht die Geduld für langwierige Eröffnungsphasen und bringe sehr schnell durch unbesonnene Bauernopfer meinen König und den »Wesir«, die zweitwichtigste Figur, in gefährliche Lagen.
Jetzt sehe ich mit geheimem Vergnügen, dass Ibn Abdus offenbar ein genauso angriffslustiger und riskanter Spieler ist, wie ich es bin, falls ich mich darauf einlassen würde. Das wundert mich. Ich hätte ihn für den vorsichtigen Taktiker gehalten.
Der weiße König wird von den roten Türmen attackiert, und sein »Wesir« steht ohne Deckung.
Der arme Schreiber tut mir leid. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ibn Abdus gern verliert, aber andererseits natürlichtödlich beleidigt wäre, wenn sein Gegenüber versucht, ihn absichtlich gewinnen zu lassen.
Während ich mich den Spielenden nähere, Stirn, Mund Herz zum Gruß mit der Hand berühre und der Minister lächelnd zu mir aufschaut, bringe ich »aus Versehen« mit einem Fußstoß den Schachteppich zum Verrutschen. Die Figuren kippen um und poltern durcheinander.
Der Schreiber springt auf, verneigt sich tief. Seine Haltung drückt Erlösung aus.
»Sayyida, verehrte Prinzessin!«
Der Hadjib ist ebenfalls aufgestanden und zieht meine Finger an die Lippen.
»Du kannst gehen, Ali.« Sein Kontrahent kramt hastig die Figuren zusammen, rollt den Spielteppich auf. Während er sich unter Verbeugungen entfernt, droht mir Ibn Abdus halb scherzhaft mit dem Finger. »Störe meine Spiele nicht, Valada bint Al Mustakfí!«
Es klingt nur halb scherzhaft. Was soll das? Er will etwas von mir! Aber was? Vieles ist denkbar . . .
»Du hast mich zu dir befohlen, großer Hadjib?«, sage ich, und merke, dass es nicht gerade geduldig klingt. »Was gibt es?«
»Ich habe dir keinen Befehl erteilt, wie käme ich dazu!«, widerspricht er und runzelt die Brauen. »Ich habe dich lediglich gebeten.«
»Und diese Bitte gleich mit einer Sänfte vor der Tür unterstützt!«, sage ich ironisch und erinnere mich an seine strikte Anweisung, nicht nach Granada zu reisen – war das etwa kein Befehl?
Indessen zieht er ein Gesicht, als sei die Mezquita eingestürzt, offenbar, um mich auf etwas Unangenehmes vorzubereiten, nimmt mich sanft am Ellbogen und führt mich zu einem hohen Schreibpult, auf dem
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