Valadas versinkende Gaerten
stecken kann, wobei ich nicht so recht weiß, ob ich dafür wirklich dankbar sein müsste.
Dann sagte jemand: »Das Fieber tobt in ihr. Gib ihr mehr Wasser.«
Wasser war gut. Ich trank gierig und versank wieder ins Dunkel.
Einmal, irgendwann, schlug ich die Augen auf, wachgerüttelt vom Gerumpel des Fahrzeugs, auf dem ich lag, und über mir war Himmel. Er war zartblau, fast weiß, wie aufgespannte Seide. Ich starrte und starrte, und ich konnte nicht verstehen, dass es so etwas Schönes und zugleich Ungerührtes geben konnte wie diesen Himmel. Er war ungeheuer oben und hatte nicht das Geringste mit uns Kreaturen hier unten zu tun. Da musste ich weinen.
Aber das ging vorüber. So, wie der Schmerz nur noch ein winziger Punkt war, der sich hin und wieder meldete, um mich zu erinnern. Als der Schmerz endgültig fort war, verlernte ich gleichzeitig, zu fühlen. Denn er war das Einzige gewesen, das ich fühlen konnte.
Das Fieber verließ mich auch. Ich konnte sitzen. Aufstehen. Gehen. Ich hätte den Menschen danken müssen, die mich gerettet hatten. Stattdessen ging ich einfach fort.
Ich denke, es waren ein fahrender jüdischer Arzt und sein Gehilfe, die mich gefunden hatten. Vielleicht hatten sie auch jenen Umhang in irgendeiner Ecke gefunden, den ich nun wieder trug und an dessen Herkunft ich mich nicht mehr erinnern konnte noch wollte, und in ihm hatte irgendwo eine Geldbörse gesteckt, die sie dann bewog, sich meiner anzunehmen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es unter diesem unserem menschlichen Geschlecht jemanden geben könnte, der eine gute Tat um ihrer selbst willen vollbringen würde.
Jedenfalls waren sie mit ihrem Karren auf dem gleichen Weg zurückgerumpelt, den ich auf meiner ahnungslosen Reise nach Granada genommen hatte – jenen westlichen Umweg um die Kordillere, beschwerliche Wegstrecken zu vermeiden. Das war in einem anderen Leben.
So bin ich zum Fluss gelangt.
Seitdem gehe ich und gehe. Ich bin es nicht gewohnt, ohneSchuhe zu laufen, und so humpele ich ein bisschen, aber das tut nichts. Meine Füße sind blutig und so schmutzig wie die Hufe eines Maultiers, das durch den Mist gestapft ist.
Wenn ich müde werde, schlafe ich irgendwo am Wegesrand im Gebüsch oder zwischen den hohen Stängeln eines Zuckerrohrfeldes.
Mein Essen stehle ich mir. Zuckerrohr und eine Handvoll Weizenkörner, Obst von den Bäumen. Die Oliven sind leider noch nicht reif. Wasser gibt es genug.
Menschen gehe ich aus dem Weg und sie mir ebenfalls. Wer aus der Hölle kommt, der ist vom Atem der Hölle umgeben wie ein Frettchen vom Gestank.
Die alle wollen reden und lachen, singen und ihre Ernten einbringen. Wenn sie mich sehen, vergeht ihnen die Lust dazu.
Eines Tages bin ich an den Fluss gekommen, wie auch immer. Ich hatte ja kein Ziel.
Der glatte, gleichmütige Fluss gestattet mir, frei zu atmen, wenn ich neben ihm hergehe, seinem Strömen entgegen.
Weiter oben verläuft die Straße. Die benutze ich nicht. Ich gehe am Ufer entlang, so eng wie nur möglich, durch Schilf und Wiesengrün, vorbei an Weidenbäumen. Wenn mir Schiffe entgegenkommen oder Fischer irgendwo auf dem Wasser ihre Netze auswerfen, verstecke ich mich oder schleiche gebückt durchs Röhricht davon. Und wenn ich eine Brücke sehe, warte ich ab, bis es Nacht wird und keiner mehr darüber geht.
Manchmal träume ich. Die meisten Träume enden damit, dass ich von meinem eigenen Geschrei wach werde.
Aber es gibt auch Träume, die führen mich zurück in eine Zeit vor der Zeit, dahin, wo ich einmal gewesen sein muss. Zu den Augen der Person, die wie der Fluss gefärbt sind.
Oder zu Räumen voller Bücher. Zu riesigen Bibliotheken, durch die ich schwebe, weil ich die schönen Mosaiken des Fußbodens nicht beschmutzen will mit meinen verkrusteten, schwarzen Füßen.
Doch all die Worte, die dort gesammelt worden sind, all die Stimmen der Menschen, der ohrenbetäubende Singsang, der uns davon überzeugen will, dass die Welt ein bewohnbarer Ort ist – all das ist mit einer einzigen lodernden Fackel hin und nichtig zu machen. Alle Bibliotheken der Welt werden brennen.
Der Fluss ist ewig und groß. Danach hat er ja auch seinen Namen. Al Wadi Al Kabir. Guadalquivir. Der große Fluss.
Auch ich habe einen Namen. Aber den will ich vergessen. So wie ich alles Schöne vergessen will, denn es hat keinen Platz auf dieser Welt. Und vergessen die Bücher und vergessen die Augen, die die Farbe dieses Flusses haben. Aber das fällt
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