Valadas versinkende Gaerten
eigentlich liegen sie immer obenauf. Doch der Papierstapel, den ich aus Ibn Zayduns Kerkerloch mitgenommen habe, breitet sich jetzt darüber aus. Schlechtes Omen.
Voller Zorn greife ich die Blätter. Am liebsten würde ich sie zu Boden werfen – aber habe ich sie deshalb in meinem Bad nicht ersäuft, diese Verse, um sie nun zu missachten? Das wäre falsch.
So lege ich sie beiseite. Dabei flattert ein Zettel zu Boden. Ein Fragment, flüchtig hingeworfen.
»Vernunft und Vorsicht, lebt auf ewig wohl!
Den Winden geb ich freudig mein Gewand,
Um nackt und bloß vor ihrem Leib zu stehen
In einem Garten, den des Himmels Wolken tränken . . .«
Verfluchter Sänger! Dein Schnabel ist dir allzu gut gewachsen.
Ich schiebe das beiseite. Ich suche nach der Stimme Kasmunas, nach ihrer sanften, melancholischen Stimme, will hören, was sie mir zu sagen hat, will eine Botschaft von ihr empfangen.
Ihre zarten Schriftzüge, klar und sicher wie der Schwung ihrer Augenbrauen.
»Gazelle, weidest du in meinem Garten?
Voll Trauer scheinen deine großen Augen.
Ich bin so schön wie du, und beide warten
Wir auf das Ziel der Sehnsucht, wollen saugen
Die süße Nässe der geliebten Lippen,
wie Vögel wohl den Tau von Blumen nippen.
Gazelle, komm, wir teilen gleiches Leiden.
Doch eines Tags kommt Heilung zu uns beiden.«
Eines Tags? Willst du mir das sagen? All meine Sinne, all meine Kräfte schicke ich zu dir, wo du auch sein magst.
Ich wollte, die Perlen könnten sprechen.
Ich schließe für einen Moment die Augen. Und sofort übertönt die andere Stimme, die herausfordernde, die zupackt wie eine Hand, diese sanften Klänge: »Den Winden geb ich freudig mein Gewand, / um nackt und bloß vor ihrem Leib zu stehen . . .«
Mistkerl. Dichter.
Komm mir nicht in die Quere, hörst du, bei meinem Gespräch mit Kasmuna. Was, in drei Teufels Namen, hast du Höllenhund mit ihr gemacht?
23
IM ALCAZAR ZU CORDOBA.
Zwei bedeutende Vertreter ihres Berufsstandes, eingeladen vom Hadjib Ibn Abdus Al Gahsiyari, haben sich eingefunden: der rotbärtige Oberste Richter Al Dakhil und der lang aufgeschossene, hohlwangige Wakil Ibn Al Hatimi, der Vertreter der ausländischen Kaufleute. (Nougatkonfekt steht diesmal nicht auf dem Tisch.)
Der Wesir wünscht, sich mit ihnen abzustimmen.
Leicht verwundert sind die Herren schon, dass der erlauchte Herr einer solchen – von seiner Warte aus gesehen – Bagatelle wie der Inhaftierung eines betrügerischen Händlers Aufmerksamkeit entgegenbringt. Aber Ibn Abdus erklärt leutselig, dass ihm kaum etwas so am Herzen liege wie das Befinden der Kaufmannschaft und vor allem der ehrlichen ausländischen Kaufleute, denn das Wohl und Wehe einer Stadt und eines Landes hängt mit dem Gedeihen von Handel und Wandel zusammen.
Goldene Worte.
Der Minister lässt sich zunächst Vortrag halten über den Stand der Dinge bei der Kaufmannschaft. Über die schwarzen Schafe, so erfährt er vom Wakil, seien hohe Bußgelder verhängt worden, aber ein ganzer Tross von ihnen hätte sich der Sanktion entzogen und sei ins Ausland geflüchtet – zum Teil unter Hinterlassung der Waren.
Der Strohmann vor Ort, der für die Schwarzhändler dieGewölbe angemietet hatte, sei gefangen gesetzt und seine Habe konfisziert worden. Die betreffenden Beträge seien an die Staatskasse, die Steuerbehörde und den Zoll weitergeleitet worden.
Der Hadjib nickt anerkennend. »Hohe Beträge?«
Al Hatimi zuckt bedauernd die Achseln. »Nicht allzu hoch, erlauchter Herr. Dieser . . . Kleinkriminelle war ja noch nicht lange genug im Geschäft, um Vermögen anzuhäufen. Zum einen waren seine Einnahmen nicht besonders hoch, da er nicht wusste, in welchen Dimensionen man in diesem Milieu arbeitet. Zum anderen hat er wohl alles ganz schnell wieder ausgegeben. Ein Feigenhändler, Herr. Er verstand sich nicht aufs Wirtschaften, lebte in Saus und Braus – jedenfalls für seine Verhältnisse.« Der Wakil grinst und bemerkt, dass Ibn Abdus ihm einen geringschätzigen Blick zuwirft. Hat er etwas Falsches gesagt?
Der Wesir wendet sich jetzt seinem Obersten Richter zu.
»Al Dakhil, ist es wohl möglich, dass unser Freund hier, der Handelsrepräsentant der Ausländer, diesen Kasim – hieß er nicht Kasim? – falsch einschätzt? Der Mann schien mir doch ziemlich gerissen, nach dem, was man mir über ihn erzählt hat. Sorgt man in Eurem Gefängnis auch dafür, ihn vor der Hinrichtung streng zu vernehmen?«
»Dessen
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