Valadas versinkende Gaerten
Soviel ich weiß, fehlen ihm bis jetzt nur einige Zähne.«
24
KASMUNA.
Etwas zerrt an mir. Etwas reißt mich vorwärts.
Der Fluss strömt mir entgegen, und wie leicht wäre es doch, hineinzugleiten und sich mitnehmen zu lassen, unter den Brücken hindurch, bis dahin, wo sich salziges und süßes Wasser vermischen, und dann ins Meer hinauszutreiben, wo man eins werden kann mit anderem, was da mit einem zusammen schwebt, und vielleicht stoßen mich die Fische zunächst mit neugierigen Mäulern an, bis sie bemerken, dass dieses Fleisch ihnen zur Speise dienen kann.
Aber es geht nicht. Etwas zieht mich vorwärts.
Der Wind bläst mir ins Gesicht, faucht mich an, als sei ich zu seiner Beute bestimmt, und trocknet meine Lippen. Leicht, wie ich bin, würde er mich wohl aufheben und einfach forttragen, sodass ich mich am Stamm einer alten Olive festklammern muss oder an den Zweigen einer Tamarinde. Aber ich lasse mich nicht wegwehen. Meine schrundigen Füße bleiben am Boden und tragen mich weiter und weiter. Dahin, wohin ich gezogen werde.
Und mein Schatten treibt seltsame Spiele mit mir.
Morgens hängt er an mir wie eine bleischwere Schleppe, und ich muss vornübergebeugt gehen, damit ich von der Stelle komme. Zu Mittag macht er sich klein und verbirgt sich vor mir, er verschwindet, und ich werde unruhig, weil ich befürchte, ihn ganz und gar zu verlieren. Aber auf den Abend zubeginnt er, mir vorauszueilen. Er wird immer länger und pfeildünn und streckt und reckt sich, und ich stolpere ihm hinterher, keuchend, bis meine Lungen brennen.
Oh du blauäugiger Fluss, der du mir so eilfertig entgegenströmst, ich kann nicht mit dir ziehen.
Und du, unbändiger, zorniger Wind, erwarte du nicht, dass ich dir nachgebe. Ich kämpfe gegen dich an.
Hand in Hand mit meinem Schatten ziehe ich weiter am Ufer entlang, und irgendwann wird da eine gewaltige Brücke sein, zu beiden Seiten flankiert von zerbrochenen Wasserrädern.
Will ich dorthin? Ich weiß es nicht. Es zieht mich vorwärts.
VALADA.
Der Kadi Ibn Al Dakhil hat mich sprachlos gemacht.
Dieser Kerl, den ich übrigens noch nie leiden konnte und von meinen Festen verbannt habe, hat noch kaum meine Schwelle überschritten und sich den ersten Becher Wein einverleibt, als er schon mit der Tür ins Haus fällt und mir mit funkelnden Augen und bebendem Bart triumphierend erklärt, er wisse, weshalb ich um seinen Besuch gebeten hätte.
Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen, nach jener Sklavin zu schicken, die ich ihm geben wollte – bin ich doch auf ausschweifendes Gerede gefasst und hatte mir zunächst einmal überlegt, auf welchem Wege ich das Gespräch in die Bahnen lenken konnte, die mich zum Ziel führen sollten.
Und dieser . . . Richter also sieht mich an und sagt unumwunden: »Es geht um den Vater der Muhdja, nicht wahr?«
Ich habe gerade Luft geholt, um noch anstelle der üblichen Floskeln der Begrüßung gleich das Gespräch zu beginnen, und fast bleibt mir der Mund offen.
Bisher habe ich den Kadi nicht für jemanden gehalten, der mit besonderer Kombinationsgabe gesegnet ist. Ich hätte sogar bezweifelt, dass er überhaupt wusste, wen er da hatte einsperren lassen, denn dass mein kleines Weibchen die Tochtereines Feigenhändlers war, das musste ja nicht bedeuten, dass es ausgerechnet dieser da sei . . .
»Ihr seid, wie ich sehe, gut im Bilde«, sage ich und bemühe mich, meine Überraschung zu verbergen.
Und der fährt frech fort, mit einer bemerkenswerten Plumpheit, wie wir sie eigentlich in meinem Hause zu vermeiden suchen (der gute Ton liegt in der eleganten Umschreibung): »Ja, verehrte Prinzessin, die spezielle Art Gefangenenbefreiung nach dem Muster des Ibn Zaydun wird nun aber leider nicht zur Gewohnheit werden. Das sind zwei ganz unterschiedliche Steigbügel, um es einmal bildlich zu sagen. So ein Herr aus gutem Hause, an dem war schließlich keiner wirklich interessiert. Da drückte man sogar einmal beide Augen zu.« Er unterbricht seine Rede und sieht mich triumphierend an; offenbar ist er stolz darauf, dass er eins und eins zusammenzählen konnte. Als ich nicht reagiere, fährt er fort: »Aber dieser Kasim, Herrin, hat der ehrenwerten Kaufmannschaft schweren Schaden zugefügt, und das schreit nach Rache. Er kommt aufs Blutleder. Sein Kopf fällt. Das Schwert der Gerechtigkeit ist bereits geschliffen.«
Hier ist mir eigentlich klar, dass der Versuch, diesen Mann zur Gnade zu stimmen, nur fehlschlagen kann, und ich bin dann doch ganz froh
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