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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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sage ich, und in meiner Kehle steigt ein Schluchzen auf. »Oh Nazik! Fürchte nichts. Du bist in Sicherheit. Das, was ich gesagt habe, dass du für meinen Vater sein sollst   – war nur, um diesen dummen Dingern eine Erklärung zu liefern. Mein Vater kommt nicht. So bald nicht. Und wenn er wirklich . . . entlassen wird, werden wir einen anderen Ort für dich finden. Die Prinzessin wollte dich wegschenken an einen Mann, bei dem es dir nicht gut gegangen wäre. Das hätte ich nicht ertragen.
    Was unsere alte Sklavin   – sie heißt Dawja   – jetzt anbringt, das ist zu deiner Bequemlichkeit. Nutze alles, ruhe dich aus. Iss und trink. Alles wird gut.«
    Sie hat sich nicht gerührt, nicht einmal ihren Schleier hat sie zurückgeschlagen. Das tue ich jetzt. Langsam, wie wohl einBräutigam den Litham, den Gesichtsschleier, seiner Braut hebt, befreie ich ihr Gesicht. Es wirkt so ungerührt wie der Wasserspiegel eines Teichs an einem windstillen Morgen. Ihre Augen sehen an mir vorbei. Ich hebe den Kopf, küsse ihre Lippen, weich wie Kissen, küsse ihre kühlen Wangen, ihre Schläfe, ihre Stirn. Meine Tränen befeuchten ihren Hals.
    Dann nehme ich ihren Kopf in meine Hände, ziehe ihn zu mir herunter.
    »Ich komme bald zu dir!«, sage ich, und es kann sein, das ist ein leeres Wort. Denn jetzt muss ich zurück zu Valadas Haus, und spätestens morgen wird es auffallen, dass diese Sklavin abgängig ist, und man wird forschen und fragen und auf mich zukommen, und dann muss ich meiner Prinzessin gegenüberstehen.
    VALADA.
    Mein Haus scheint verwaist.
    Wo ist Muhdja hingelaufen? Allbarmherziger, ich habe sie und ihre Sorgen ganz und gar vergessen, als ich bei Ibn Abdus war. War so voll Zorn und Schmerz über die Lüge, die mir der boshafte Dichter mit seinem Brief und seinem »Beweisstück« auftischen wollte, dass ich mit keiner Silbe daran gedacht habe, die Sache mit diesem Kasim auch nur zu erwähnen.
    Ich will nicht, dass sie glaubt, sie sei mir weniger wert als Kasmuna. Bettgefährtin, Schülerin, Partnerin dann, mir ebenbürtig im Dichterwettstreit. Aber die Not dieses Mannes, der ihr Vater ist, rührt mich nur am Rande. Wenn ich nicht helfen kann, mag sie einfach Trost in meinen Armen suchen . . .
    Kasmuna jedoch ist fort   – fort und verschollen, und merkwürdigerweise gibt mir das Perlenband so etwas wie die endgültige Gewissheit, dass sie nicht tot ist.
    Für einen kurzen Moment zuckt mir eine aberwitzige Vorstellung durch den Kopf: Ibn Zaydun hat sie gefunden, in welchem Zustand auch immer, hält sie bei sich gefangen, umsich an mir zu rächen, betäubt sie vielleicht, missbraucht sie sogar, schickt mir zum Hohn die Kette, die er ihr abgenommen . . .
    Aberwitzig, wirklich. Doch irgendein Trick steckt dahinter. Plötzlich habe ich Zweifel. Vorhin, bei Ibn Abdus, gab es keinen Raum dafür. Jetzt machen sie mir zu schaffen. Woher hat er die Kette?
    Mein Kopf will mir zerspringen.
    Ich lege das Halsband vor mir auf den Tisch, starre es an, als könne es mir eine Auskunft geben. Die Perlen schimmern sanft und heimtückisch, es scheint mir, sie wollten mich verhöhnen. Wann schmückten sie jenen langen, schlanken Hals? Wie wurden sie abgelegt, verloren, beiseite getan, abgerissen . . . nein, abgerissen wurden sie nicht. Der Verschluss ist unversehrt.
    Das Halsband der Taube. Gibt es nicht so ein Gedicht? Ich glaube, es stammt von einem jüdischen Dichter.
    Ich gehe in unsere Bibliothek, blättere in Büchern. Werde fündig. Hier steht es.
     
    »Es gurrte eine Taube dort im Garten.
    Mir schien, als wolle sie ein Leiden klagen.
    So ging ich denn hinaus, um sie zu fragen.
    Und da erblickte ich um ihre Kehle
    Ein Band aus Perlen. Mit verwirrter Seele
    Begann ich da, die Klagende zu bitten:
    Sag mir, du weinst, und schmückst dich dennoch schön?
    Erklär mir das! Wie ist das zu verstehn?
    Die Taube sprach: Auf meinen Liebsten warten
    Und weinen ist das gleiche. Da erstarrten
    Die Tränen mir zu Perlen. Und ich trage
    Den Schmuck nun hoffend bis ans Ende meiner Tage.
    Dann hab ich, sterbend, nicht umsonst gelitten.«
     
    Hoffend. Hoffend will auch ich bleiben. Nein. Nach wie vor: Ich glaube nicht an den Tod Kasmunas. Will nicht an ihn glauben. Sie muss es mir selbst sagen, muss mir im Traum erscheinen, bevor ich es als wahr zur Kenntnis nehme. Oder muss es mir in ihren Gedichten sagen.
    Kasmunas Gedichte liegen in der metallbeschlagenen Truhe, in der ich die Poesien meiner Freunde und Gefährten aufbewahre, und

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