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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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könnt Ihr versichert sein, erhabener Hadjib!«, sagt der alte Rotbart, und seine Habichtsaugen blitzen. »Meine Männer arbeiten ohne Gnade, mit gewohntem Eifer sind sie bei der Sache. Wenn dieser Mann noch irgendwo verborgene Schätze hat   – er wird sie herausrücken. Wenn nicht   – nun, bis zur Richtstatt werden wir ihn schon noch lebend schleifen.«
    »Erwägt Ihr eine Verhandlung?«
    Der Kadi sieht ihn lauernd an, wägt ab, mit welcher Antwort er dem Mächtigen nach dem Mund reden kann.
    »Das kommt darauf an«, sagt er verschlagen und hältAusschau nach einer Veränderung in der Miene des Wesirs, »ob es zweckmäßiger wäre, der ganzen Stadt ein abschreckendes Beispiel vor Augen zu halten, wohin es führt, den Staat und seine Beamten hinters Licht zu führen . . .« Er sieht, wie die buschigen Brauen seines Gegenübers sich zusammenziehen, und fügt hastig hinzu: ». . . oder vielleicht doch den gleichen Effekt zu erzielen, wenn man ohne Weiteres eine Hinrichtung anordnet. Die Schuld des Inhaftierten ist schließlich erwiesen, und vielleicht muss das Volk nicht mit allzu vielen Einzelheiten gefüttert werden. Es könnte die Leute auf dumme Gedanken bringen. Wir brauchen keine Nachahmung des Delikts.«
    Erfreut registriert er das Nicken des Ministers. Und dann sagt der hohe Herr: »Es gibt noch eine dritte Möglichkeit.«
    Seine beiden Besucher sehen sich an.
    Darauf der Richter: »Erläutert sie Eurem Diener, erlauchter Herr.«
    »Man könnte ihn gegen ein hohes Lösegeld insgeheim auf freien Fuß setzen.«
    Das Schweigen im Audienzraum ist fast mit Händen zu greifen.
    Schließlich bemerkt der Wakil, der nervös an seiner Lippe kaut (ihm fehlen die Süßigkeiten!): »Sehr gut. Wir bewundern den Einfallsreichtum von Euer Gnaden. Aber wer sollte wohl diesen kleinen Gauner auslösen?«
    Ibn Abdus hat die Hände vor der Brust gefaltet, er blickt vor sich hin und lässt seine Daumen umeinander kreisen, einmal vor, einmal zurück, einmal vor, einmal zurück.
    »Ja, wer wohl?«, fragt er nachdenklich. »Sicher seid Ihr, ehrenwerter Al Hatimi, als Vertreter der Ausländer nicht so gut unterrichtet über die Vorgänge in den Häusern der großen Familien. Aber mein Kadi, der selbst ein Teilnehmer an bestimmten Festen der Prinzessin Valada ist, müsste doch eigentlich wissen, dass eine der Favoritinnen der Sayyida einegewisse Muhdja bint Al Tayyani ist. Die Tochter eines Feigenhändlers.«
    Der Richter hat es tatsächlich in keinen Zusammenhang gebracht, stellt Ibn Abdus fest, als er in dessen verblüfftes Gesicht sieht. Er guckt sich die Wirklichkeit offenbar an wie durch den Sehschlitz eines Helms. Wie ein Pferd, das Scheuklappen trägt, fällt ihm nur sein eigenes kleines Stück Wirklichkeit ins Auge. Darum sind Leute wie er so leicht zu lenken. Kaum zu fassen, wie einfach es ist.
    Der Kadi will seine Schlappe wettmachen und platzt heraus: »Großer Hadjib, ich habe für morgen eine Einladung zur Prinzessin. Ob es da eine Verbindung gibt?«
    »Mit Sicherheit!«, entgegnet der Wesir nicht ohne Schärfe. (Selbst nützliche Begriffsstutzigkeit kann einem auf die Nerven gehen.) »Übrigens bin ich informiert über Euren bevorstehenden Besuch dort. Ich wäre ein schlechter Regent, wenn ich nicht alles Wichtige erführe.« Er zieht sein Lächeln auf, das die Augen unberührt lässt. »Und Ihr, Al Dakhil, seid mir schließlich wichtig.«
    »Das«, sagt der Kadi verwirrt, und sein roter Bart zittert, »ist mir große Ehre. Und . . . und dieses Treffen morgen mit der Prinzessin . . . ja, also . . .«
    Er schluckt, versucht, seine Gedanken zu ordnen.
    Ibn Abdus leistet Hilfestellung.
    »Ich weiß nicht, aus welchem Grund Ihr morgen die Gesellschaft unserer verehrten Prinzessin genießen werdet; vielleicht will sie sich nur den Tag mit Euch versüßen«, erklärt er heuchlerisch. »Falls sie aber doch   – und es wäre ja immerhin möglich   – mit Euch über den Fall sprechen möchte, vielleicht um ihrer kleinen Dichterin zu helfen, so würde ich an Eurer Stelle über diese dritte Möglichkeit reden. Allerdings sollte die Höhe einer solchen Freikaufsumme wirklich der außerordentlichen Gnade, die das Angebot darstellt, angemessen sein. Die Staatskasse sollte profitieren, Ihr, und ich auch.«
    Er lächelt erneut sein kaltes Lächeln. »Und bedenkt: Wenn Euer Gefangener nicht mehr . . . brauchbar ist, werden wir wohl nicht zu Geld kommen.«
    »Oh«, sagt Al Dakhil, »ja, natürlich. Danke für den Hinweis, Herr.

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