Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
Vom Netzwerk:
über seine Direktheit. Da hätte ich ihm das schwarze Ding umsonst geschenkt; er hätte bestimmt nicht so viel Anstand besessen, die Gabe abzulehnen . . .
    »Es freut mich, dass Ihr mir die Unterschiede zwischen den beiden Personen so klar vor Augen führt«, sage ich ironisch (obwohl Al Dakhil bestimmt kein Gefühl für Ironie hat). »Dass Ihr trotzdem gekommen seid, weiß ich zu würdigen. Ich ahnte nicht, dass es so rau hergeht, wenn es sich um die ehrenwerte Kaufmannschaft handelt. Entschuldigt, dass ich Euch bemüht habe.«
    Und ich erwarte, dass er den Pokal beiseite stellt, sich von seinem Polster erhebt und sich verabschiedet.
    Was nicht geschieht.
    Stattdessen sieht er mich mit schief gelegtem Kopf an, als habe er eine Überraschung in der Tasche.
    »Die Kaufmannschaft«, bemerkt er, »ist allerdings hier wie auch andernorts abhängig von Gewinn und Verlust, und das, Sayyida« (er zwinkert mir plump-vertraulich zu), »sind wir schließlich alle.«
    Und während ich mich noch frage, wieso er mir das jetzt und hier und zu dieser Stunde erzählt, lässt er die Katze aus dem Sack.
    »Es besteht in diesem besonderen Fall die Möglichkeit, eine Ausnahme zu machen. Der Schuldige kann ausgelöst werden.«
    Zuerst verstehe ich nicht. Was meint er mit »ausgelöst«? Doch dann . . .
    »Ihr meint   – man kann den Mann freikaufen?«
    »So sind wir übereingekommen«, bestätigt er.
    »Was ist das für ein ›Wir‹?«, hake ich nach.
    »Nun, der Vorsteher der ausländischen Kaufleute, meine Wenigkeit und der erlauchte Hadjib.«
    Verdammt! Ich bin bei ihm gewesen, gerade erst, als er mir die Perlen und den verlogenen Brief Ahmad Ibn Zayduns gegeben hat . . . da hatte er sich das bestimmt schon ausgedacht. Er hat nur darauf gelauert, dass ich das Thema zur Sprache bringe. Und als ich es nicht getan habe   – da hat er diesen Halunken vorgeschickt, höchst zufrieden damit, dass ich schon Kontakt mit ihm aufgenommen hatte!
    »Wie hoch ist die Freikaufsumme für Kasim, den Feigenhändler?«, frage ich.
    »Das Lösegeld«, erwidert der Kadi, »oder die Entschädigung, wie man will, haben wir nach sorgfältigen Erwägungen auf tausend Golddinar festgelegt.«
    Er grinst.
    Ich kann zunächst nichts sagen. Ich bin es nicht gewohnt, zu rechnen, das tun andere für mich. Dennoch weiß ich: EineSklavin, diese Schwarze etwa, würde wahrscheinlich für dreißig Dinar weggehen, ein kleines Stadthaus kostet um die sechzig Dinar. Ein edles Reitpferd etwas über hundert. Sind die verrückt geworden?
    Will mich Ibn Abdus . . . ausplündern? Will er mich verhöhnen mit dieser aberwitzigen Forderung?
    »Ihr meint im Ernst, ich soll für einen kleinen Kriminellen tausend Dinar bezahlen?«
    »Ist Euch der Vater der Muhdja bint Al Tayyani das nicht wert?«, fragt er. Und grinst noch immer. Ich würde ihn am liebsten ins Gesicht schlagen.
    Ibn Abdus, du verstehst dein Handwerk. Bringst mich in Zugzwang, nötigst mich, auf dich zuzugehen. Also gut.
    Ich erhebe mich.
    »Verehrter Kadi, Ihr wart ein zuverlässiger Bote«, sage ich. »Entschuldigt meine Unhöflichkeit, aber ich habe zu tun. Meine Diener werden Euch hinausbegleiten.«
    Ich lasse ihn einfach weiter da herumsitzen, genieße die Verblüffung in seiner Miene.
    Im Patio steht meine Muhdja. Sie bebt am ganzen Leib, starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Du hattest Recht, meine Kleine«, sage ich, während ich meine Sänfte bereitstellen lasse. »Das mit dem Richter bringt überhaupt nichts. Ich muss zum Hadjib. Der Kerl soll mir Rede und Antwort stehen. Sieh nicht so verzweifelt aus. Ich hoffe, alles wird gut.«
    Sie fällt vor mir auf die Knie, presst ihren Kopf gegen mein Gewand. Wann habe ich sie schon einmal so verzagt gesehen?
    Bedeutet ihr der Mann, ihr Vater, wirklich so viel?
    IBN ABDUS.
    Ich wusste, sie würde kommen. Wusste, mit dieser unverschämten Forderung würde ich sie aus der Reserve locken.
    Zornig ist sie von mir gegangen, zornig kehrt sie zurück.
     
    Mit innerem Vergnügen sehe ich sie vom Fenster aus ihrer Sänfte entsteigen, sie geht mit großen Schritten, ein Orkan auf dem Vormarsch.
    Ich wende mich um, sie zu empfangen.
    Mit wehenden Kleidern, eine weiße Flamme, betritt sie meine Räume, schiebt Bedienstete, die sich ihr in den Weg stellen, beiseite, bahnt sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Bittsteller (heute ist der Tag, an dem das einfache Volk Zugang findet und das Ohr des Wesirs hat). Aber die weichen natürlich alle, sobald sie sie

Weitere Kostenlose Bücher