Valadas versinkende Gaerten
und die eigenen Verse eher kläglich ausfallen. Der Kadi übrigens ist nicht da; ob nicht eingeladen oder lieber von allein fortgeblieben, steht dahin.
Aber da es am späten Abend heute nicht zur Sache gehen soll, also die »Liebesschule« ausfällt (in meinen Augen ohnehin nur so etwas wie ein kostenloses Hurenhaus), fehlen einige Leute, für die das der Hauptanreiz an diesen Abenden ist, und Valadas bedienende Sklaven, die sie sonst so freigebig zur Verfügung stellt, sind heute zurückhaltender gekleidet und in geringerer Zahl vorhanden.
Bisher sitze ich allein auf den Polstern des erhöhten Platzes, und so sehr ich den Kopf verrenke – von der Feigenhändlerstochter ist nichts zu sehen. Nun, vielleicht muss die hübsche Muhdja auch ihren Vater pflegen . . .
Valada betritt das Podium, und das Geplauder verstummt ebenso wie die Musiker. Nur noch leise klirren die Gläser von der Anrichte im Hintergrund, wo die Dienerschaft frisches Getränk vorbereitet.
»Meine Freunde!«, beginnt die Prinzessin, und aus ihrer Stimme wird nun ein Instrument. »Es gibt einen schmerzlichen und einen freudigen Anlass, weswegen ich euch heute zu mir gebeten habe. Beginnen wir mit dem schmerzlichen. Um es in einem Bild zu sagen: Man hat mir beide Hände abgehackt.
In den beiden Gedichten, die ich zunächst vortrage, sind ihre Schöpfer lebendig, egal, wo sie sind und ob am Leben oder tot.«
Nach diesen sicher für ihr Publikum ziemlich rätselhaften Worten gibt sie den Musikern das Zeichen, jenes Vorspiel anzustimmen, das stets ihrem Vortrag vorangeht, und beginnt dann:
»Gazelle, weidest du in meinem Garten?
Voll Trauer scheinen deine großen Augen . . .«
Ich kenne das. Jeder hier kennt es. Es ist eins der schönsten Gedichte der Jüdin Kasmuna.
Valadas Stimme schwirrt und flirrt wie eins jener Streichinstrumente, die ich nicht bei Namen kenne, ich bin ja keinMusiker. Ihr Gesicht ist wächsern, wirkt inmitten des schwarzen Haares wie eine Maske. Die Augen hält sie geschlossen. Als sie geendet hat, wehrt sie mit erhobener Hand einen Beifall ab.
Dann dreht sie sich zu den Musikern herum und bespricht sich flüsternd mit ihnen. Eine leichte, tändelnde Melodie erklingt.
Valada tritt wieder vor und beginnt, das nächste Gedicht vorzutragen, aber ungeachtet seines Inhalts bleibt ihre Miene weiterhin unbewegt, ernst. Und wieder schließt sie die Augen.
Dann höre ich:
»Du schenkst mir Pfirsiche, die innere Glut zu kühlen.
Ich danke dir, doch dürstet mich nach deinem Mund.
Ich will dein Lippenpaar auf meinem fühlen
und schrecke doch zurück. Der Grund:
Die Augenwimpern gleichen Pfeil und Speeren.
Sie scheinen meinen Angriff abzuwehren.«
Auch das kenne ich! »Du schenkst mir Pfirsiche, die innere Glut zu kühlen . . .«, das haben sie sogar auf den Straßen gesungen. Das ist, neben ihren frivolen und unverschämten Reimchen, ein kleines Liebeslied von Muhdja bint Al Tayyani, gerichtet an Valada zu Beginn ihrer Beziehung . . .
Aber was, verdammt, bedeutet das? Ist sie, aus welchem Grund auch immer, zu einem »schmerzlichen Anlass« geworden? »Man hat mir beide Hände abgehackt . . .«
Das heißt doch wohl: Die Kleine ist in Ungnade bei der Prinzessin, der Grund ist letztlich egal. Und es ist nicht nur mir aufgefallen, dass Muhdja nicht hier ist. Ich sehe, man neigt die Köpfe gegeneinander, munkelt.
In den nun doch aufkommenden Applaus hinein winke ich einen der Knaben heran, die Getränke servieren, und nehmemir ein geschliffenes Glas vom Tablett. Da spare ich mir ja die weiteren Mühen, etwas gegen sie zu unternehmen. Das Mädchen scheint sich selbst ausgetrickst zu haben.
Nur zwei Gedichte also – und kein einziges von ihr selbst! Merkwürdig.
Valada geht ab.
Die Musiker sind jetzt allein am Werk. Die Herrin scheint nunmehr den zweiten, gewichtigen Teil vorzubereiten, von dem sie sprach. Die Ankündigung. Nun, vielleicht kramt sie nun doch noch die neusten Poesien Ibn Zayduns aus der Tasche. Ihre zur Schau gestellte Verachtung für dessen Verse damals bei mir, als sie das Blatt zerknüllte und zu Boden warf . . . So etwas kann schnell kippen.
Ich nippe an meinem Wein, mustere weiter die Anwesenden. Sie tauschen sich tuschelnd und flüsternd aus: Was ist von dem zu halten, was sie eben gehört haben? Sicher werden Gerüchte die Runde machen.
Kasmunas Schicksal in Granada dürfte allen bekannt sein; was mit Muhdja geschehen ist, weiß offenbar keiner.
Aber das Geraune und Gemurmel verstummt
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