Valadas versinkende Gaerten
seinen Winkelzügen und Einschränkungen, seiner glattzüngigen Bedenklichkeit fast den Triumph verdorben hätte und der allzu schnell die hohe Stimmung mit geschickt vorgebrachten Einwänden kippen ließ, so wie man eine glänzende Schale umkippt, und sie hat einen schwarzen Boden.
Ich bin wütend auf ihn.
Andererseits, wenn ich mit kühlem Kopf nachdenke, so verstehe ich seine Reaktion. Natürlich konnte er nicht zulassen, dass ich ihn so ungefragt vereinnahmen würde, vor all den wichtigen Bürgern der Stadt! Daran hatte ich nicht gedacht, mein Gefühl schlug zu hohe Wellen.
Ich hätte ihn gar nicht einladen sollen. Mit seinen Winkelzügen, zu denen er wohl notgedrungen greifen musste, hat er mir die Stimmung verdorben.
Nun ist er als Erster gegangen.
Noch bin ich im Gespräch mit ein paar Vertretern der großen Familien. Sie wollen Einzelheiten von mir erfahren, die ich nicht kenne. Sie sind verwirrt, und ich bin gereizt. Ich hatte mir meinen Triumph anders vorgestellt.
Und da geschieht etwas.
Am geöffneten Tor, durch das Gäste gerade mein Haus verlassen, tritt eine plötzliche Stille ein. Es ist, als würde die Zeit den Atem anhalten. Zuerst denke ich, mit einem frohen Schrecken, der mir durch Mark und Bein geht, er sei schon da, der letzte Omayade, der Anwärter aufs Kalifat, wie vom Himmel geschickt . . .
Aber diese Stille ist anderer Natur. Sie ist die Stille derer, die einem Geist begegnen.
Einige meiner Gäste kommen fast laufend zurück, als würden sie vor etwas fliehen. Sie bleiben stehen, lehnen an der Wand, starren.
Durch das Tor ist etwas hereingekommen.
Es geht mit langsamen Schritten auf mich zu.
In den Geschichten erzählen sie von Ghulen, Wesen, die gefangen sind zwischen Leben und Tod. Sie sollen blass sein wie Leichname, mit hohlen Augen und schrundigen, blutleeren Lippen, und um sie soll ein Geruch sein wie von Verwesung.
Die Gestalt, die da auf mich zukommt, entspricht haargenau diesem Bild. Nur der Geruch ist anders. Das ist nicht Verwesung, dass ist einfach nur der Moder schmutziger Gräben und die Ausdünstung eines lange Zeit ungewaschenen Körpers.
Sie kommt näher, Schritt für Schritt. Ihre Füße sind schwarz und verhornt. Sie trägt einen Kapuzenmantel, hat aber die Kapuze zurückgeschlagen. Ihr Haar ist zottig und grau vor Staub.
Wer ist das? Eine Botin kommenden Unheils? Ein Geist aus der Vergangenheit?
Meine Gäste machen einen Bogen um die Gestalt und fliehen nun, stumm und eilig, als hätte ich den Tod in mein Haus geladen. Meine Dienerschaft drängt sich im Hintergrund des Innenhofs zusammen. Die Musiker verstauen hastig ihre Instrumente und verschwinden vom Podium wie vomWind weggeweht. In der plötzlichen Stille plätschert der Brunnen.
Jetzt steht das Wesen, diese Frau, vor mir.
Mit einer Geste, die mir vertraut ist, hebt sie beide Hände zu ihrem Hals, einem langen, schlanken Hals, wie geschaffen für . . .
»Gazelle, weidest du in meinem Garten?«, flüstere ich tonlos.
Kasmuna bricht vor meinen Füßen zusammen.
KASMUNA.
»Die Liebe hat dich hergeführt«, sagt sie zu mir.
Wie soll ich ihr erklären, dass ich nicht mehr weiß, was Liebe bedeutet. Falls es sie wirklich gibt, hat sie sich aus der bewohnten Welt zurückgezogen und ist nun zu finden hinter den Schneebergen am fahlen Horizont.
Ich wollte nicht hierher zurückkommen. Aber ein unwiderstehlicher, dumpfer Trieb hat mich vorwärts gezerrt und gezogen, hierher in dieses Haus, als sei es ein Nest, in dem ich mich verbergen könne vor allem. Nicht das Haus meines Vaters und meiner Mutter. Nein, hierher hat es mich getragen. Vielleicht, weil ich hier einst wirklich Ich sein konnte?
Aber die Person von damals, die gibt es nicht mehr. Die ist zersprungen in viele Stücke, und all die Scherben einzusammeln – wer soll sich schon die Mühe machen?
Am Ende meiner Reise war ich auf diesen Fußboden gestürzt, auf diese kalten Fliesen.
Sie haben mich aufgehoben und wollten nach einem Arzt schicken, aber ich habe mit Entschiedenheit erklärt, dass ich nicht will, dass mich jemand anrührt.
Nun liege ich in Valadas Bad. In aller Eile haben sie warmes Wasser zubereitet, um mich zurückzuverwandeln von einer lebenden Toten in die Frau, die ich einmal war; aber das kann ohnehin nur äußerlich gelingen.
Ich habe mich geweigert, mich von Fremden waschen zu lassen, aber Valadas Berührung kann ich wohl zulassen. Ihre Hände, als sie meinen schmutzverkrusteten Leib streichelten, habe ich nicht
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