Valadas versinkende Gaerten
den Tiefen meiner Seele den Kopf vernebelt – der Dämon der Rache? Spätestens, als ich die dumpfen Schläge der Äxte da draußen an der Tür, als ich das Gegröle und die Gesänge hörte, hätte mir einfallen müssen, dass ich sie für heute bestellt hatte. Zum Schachspiel.
Aber nun fasse ich einen Entschluss: Ich selbst werde sie holen. Werde mich in diese Mord- und Totschlag-Nachthinausbegeben. Mich rührt keiner an. Allerdings – so nahe heran an mein Haus hatten sie sich bisher nicht gewagt. Sie sind sehr dreist heute Nacht. Natürlich – es würde genügen, wenn ich Muhdja meine Wachsoldaten entgegenschickte. Doch ich habe das Gefühl, es muss mehr sein. Nicht ihretwegen. Meinetwegen. Ich lasse mich nicht lumpen.
So gebe ich Befehl, mein Pferd fertig zu machen. Die berittenen Begleiter mit Lanzen und Fackeln zur Seite, verlasse ich mein Haus hoch zu Ross. Sie sind fort – haben sie ihre Arbeit schon getan?
Der Platz vor mir liegt fast leer. Schatten weichen mir aus. Geräusche, wie ich sie nie gehört habe, dringen aus finsteren Seitenstraßen an mein Ohr.
Ich war noch nie draußen, wenn das geschah. Saß in meiner Burg aus Licht und Klängen.
Mir ist bewusst, wie ich durch die terrorisierte Stadt ziehe, eine weiße Gestalt, umgeben von Helligkeit. Ein Pfeil könnte mich sicher durchbohren, ein Armbrustbolzen. Aber ich fühle mich beschützt, die Frau in ihrer Stadt, und sage mir, dass ich vielleicht schon öfters durch Cordoba hätte ziehen sollen in Nächten wie diesen – einfach nur als Gegenstück zu den Finsternissen.
Gegen Muhdja hege ich keinen Groll mehr. Ich male mir aus, wie ich sie abholen werde, wie sie sich hinter mir aufs Pferd schwingt, wie ihre warmen Hände sich um meinen Leib legen, spüre ihren Kopf auf meiner Schulter.
Sie soll ihre Schwarze vergessen, und sie soll wieder bei mir sein. Sie und natürlich Kasmuna, so verletzt ihre Seele auch ist. Beide wieder bei mir, um mich, in meinem Haus . . .
Der Läufer muss uns den Weg zeigen. Ich bin noch nie im Leben in diesen Gassen gewesen, in denen ein Reiter fast mit den Steigbügeln an den Wänden anstößt. Es stinkt nach Abfällen und Katzenpisse. Unvorstellbar, hier zu wohnen. Ich wusste nicht, dass Muhdja, wenn sie zu ihrem Vater geht, indiese schäbige Welt zu kriechen hat. Ich sah sie immer nur an ihrem Feigenstand am Markt, die schönen Brüste, überm Gesichtsschleier die Mandelaugen.
Warum hat sie es mir nicht erzählt? Als es darum ging, ihren Vater zu befreien, da wäre mir nie der Gedanke gekommen, dass Leute wie er in so einem elenden Viertel hausen. Ein Kaufmann, ein Händler, der Geld veruntreut – wohnt der nicht in einem ansehnlichen Haus, da, wo die Gewölbe der Juweliere und Seidenlieferanten sind?
Der Läufer gibt uns ein Zeichen: hier.
Ich reite durch eine geflickte Tür auf einen Innenhof ein, in dem ich mein Tier mit Mühe wenden kann.
Im Licht unserer Fackeln erscheinen zwei schreckliche Wesen: eine alte Vettel von unförmiger Gestalt, zerzaustes Haar quillt unterm Kopftuch hervor, und ein in sich zusammengekrümmter, geduckter Mann, der, den zahnlosen Mund weit aufgerissen, vor mir in die Knie fällt und irgendetwas stammelt.
»Ich bin Prinzessin Valada!«, sage ich, und um mich knistern die Fackeln. »Ich suche Muhdja bint Al Tayyani.«
Die beiden liegen vor mir im Staub. Sie haben Angst. Weshalb haben sie Angst vor mir? Weil ich auf einem Pferd sitze und von Männern mit Waffen begleitet werde?
Endlich erhalte ich Antwort.
Muhdja ist bereits vor einiger Zeit aufgebrochen. –
Es gibt mehrere Wege, von diesen Gassen aus zu meinem Haus zu gelangen, erklären mir meine Begleiter. Es kann sein, dass ich sie verfehlt habe, dass sie schon längst aus den Gefahren heraus und bei mir ist, dass sie schon mit Kasmuna über dem Schachbrett hockt.
Ich lasse mich von meiner Eskorte über einen verlassenen, totenstillen Marktplatz geleiten; Hufschläge und das Klirren des Zaumzeugs, das Schnauben der Pferde und die leisen Verständigungsrufe der Männer untereinander scheinen daseinzige Geräusch zu sein. Die Häuser liegen im Dunkel. Niemand unterwegs.
Die »Bärtigen« sind weitergezogen; hier ist ihr Feldzug vorbei.
Dann öffnet sich der Platz in eine breitere Straße, die auf einen anderen Handelsort mündet. Die Häuser sind stattlicher, gepflegter. Vielleicht bin ich hier manchmal tagsüber gewesen. Jetzt, in der Nacht, erkenne ich nichts wieder.
Dann ein kleiner Basar. Doch,
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