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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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den kenne ich. Man kann hier Gewürze und feine Stoffe kaufen. Es machte Spaß, sich die Waren von den Händlern vorlegen und anpreisen zu lassen.
    Ein starker Geruch weht uns entgegen. Wir reiten direkt darauf zu.
    Ich gebe das Zeichen zum Anhalten. Die Fackeln meiner Männer beleuchten ein Bild der Verwüstung.
    Zerschlagene Marktstände. Über den Boden verstreut eine dicke Schicht von Gewürzen. Nelken und Kardamom, Mohnkapseln und Zimtstangen, Pfefferkörner und Muskatblüten in scheußlichem Durcheinander. Es riecht betäubend, aber nicht nur nach Wohlgerüchen. Ich muss mir einen Zipfel des Mantels vor Mund und Nase halten. Die Zerstörer haben die edlen Spezereien mit Unrat und Dung aus den Abortgruben übergossen. Dazwischen liegen, durch den Dreck geschleift, schillernde Stoffbahnen, bunter Brokat, Spitzen, Schleierstoffe . . .
    »Was ist das?«, keuche ich. Wende mich an den Anführer meiner Truppe, einen grauhaarigen Mann, der mir schon seit Jahren vertraut ist. »Was ist das, Scheich?«
    »Hier waren sie, Sayyida«, sagt er nüchtern und grimmig.
    »Aber   – warum dieses Chaos?«
    »Wusstet Ihr das nicht, Herrin? Was hier gehandelt wird, das ist Luxus. Das ist gegen Allahs Gebote, so, wie die Bärtigen es sehen. Weg damit. Allerdings, wenn Ihr genau hinschaut: Das wirklich Wertvolle ist fort. Die großen Säcke mitGewürzen, die Stoffe in Ballen. Erst danach ist dies hier gekommen: Was sie nicht wegschleppen können, das haben sie zerstört.«
    Er redet sachlich, ruhig.
    Mir ist die Kehle wie zugeschnürt. Der Zorn pocht in meinen Schläfen.
    »Wieso greift der Emir nicht ein?«, knurre ich.
    Ich sage es eigentlich für mich, aber zu meinem Erstaunen antwortet mein Offizier: »Warum sollte er? Der Fürst hat sie doch erst von der Leine gelassen. Es ist doch nützlich für ihn, wenn die Stadt sich duckt.«
    Es schüttelt mich. Ich wende mich voll Ekel ab. Gebe den Befehl, nach Haus zu reiten. Er hat Recht. Hier finden wir meine Muhdja nicht.
    Wir nähern uns den Vierteln, in denen die Häuser der reichen Kornhändler und Reeder, der Importeure von Wein und Öl stehen, in denen die Büchereien und die besseren Wirtschaften angesiedelt sind. (Hier hatte ich Kasim, den Vater Muhdjas, eigentlich vermutet.)
    Je dichter wir an diese Wohngebiete kommen, umso mehr Lärm flutet uns entgegen. Rufe, Gebrüll, Schläge gegen Holz. Scheppern von Metall, Ton und Glas. Und Geschrei. Triumphgeschrei und Wehgeschrei.
    Der Anführer meines Geleitschutzes fällt mir in den Zügel.
    »Nicht hier entlang, Sayyida. Hier sind sie.«
    »Und wenn ich es sehen will?«
    »Ihr befehlt, Prinzessin. Aber ich weiß nicht, ob meine Männer Euch wirklich schützen können.«
    Einen Moment zögere ich. Soll ich es drauf ankommen lassen?
    Nein, ich muss wissen, ob Muhdja heil und gesund angekommen ist in meinem Haus. Die Zeit drängt.
    »Geleitet mich, wie Ihr es für richtig haltet, Scheich«, sage ich.
    Meine Truppe nimmt mich auf Anweisung des alten Soldaten in die Mitte.
    Wie versteckt in einer waffenstarrenden Schale, komme ich vorwärts. Ich habe das Gefühl, zu fliehen.
    Das Tor des Hauses steht weit offen.
    Meine Frauen stürzen mir entgegen, heulend, schreiend, das Haar aufgelöst, die Wangen zerkratzt.
    Nein, es geht nicht um Muhdja. Muhdja ist nicht gekommen.
    Der Anführer meiner Truppe hebt mich vom Pferd.
    Die Frauen umringen mich klagend. Sie bringen mich   – dahin.
     
    Ich wusste nicht, dass so viel Blut in einem Menschen ist.
    Sie knien da auf dem Boden mit großen metallenen Bottichen voll rosafarbenem Wasser und wischen mit Leinentüchern und wringen aus und wischen erneut. Die Fußbodenmosaiken haben ganz andere Muster von dem Blut, es hat den Raum verändert.
    Ich rutsche aus in der klebrigen Nässe, wäre fast gefallen. Sie stützen mich, leiten mich zu dem, was unter dem Tuch auf dem Lager ist. Etwas, das von Kopf bis Fuß verhüllt ist.
    »Aufdecken!«, befehle ich.
    »Gebieterin, um der Liebe Allahs willen, erspart Euch den Anblick!«
    »Aufdecken!«
    Sie ziehen das Tuch weg.
    Kasmuna starrt mit weit offenen Augen zur Decke. Ihr Mund klafft. Und darunter . . .
    Der Schnitt hat ihren Hals vom Ohr bis unters Kinn zerfetzt, die Ränder sind blass. Ausgeblutet schon. Aber ihr Körper ist noch warm.
    Auf dem Tisch neben dem Schreibpult liegen die Perlen. Und ein Brief. Die zarten, wie Blütenranken gestalteten Schriftzüge der Kasmuna bint Ismael, jüdische Dichterin.
    »Geliebte«, lese ich.
    »Geliebte, verzeih

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