Valadas versinkende Gaerten
altes Gedicht aus den Tagen ihrer wildesten Leidenschaft füreinander. Ich kenne auch das.
Ibn Zaydun. Der Verbannte, der Verstoßene.
Der Name schwirrt durch den Raum wie ein Pfeil, der zitternd in einer Wunde stecken bleibt.
Auf einmal ist der eingekerkerte Poet, der Rivale des Ministers, gegenwärtig hier in Valadas Haus, herbeigezaubert durch ihre Stimme, und kraft der Poesie mindestens genauso lebendig wie Ibn Abdus, der mit finsteren Brauen auf seinem Ehrenplatz sitzt und die Vortragende anstarrt.
Ja, so ist es, ich begreife, zutiefst erschrocken: Ibn Zaydun war nie fort, er hat seinen Platz nie geräumt, ob im Guten oder Bösen haust er hier bei der Geliebten.
Ich dachte, wir sind ihn los, diesen Poeten. Nun zeigt sich, dass er sich in Valadas Kopf eingenistet hat, festgesaugt, wie ein Blutegel am Bein eines Pferdes, wie eine Krake an einer Schiffswand, und dass er sie zwingt, sich immer wieder mit seiner Person zu beschäftigen.
Die Hände werden mir feucht, mein Atem stockt, und über meinem Herzen bildet sich ein dunkles Knäuel vager Angst.
»Erwarte mich bei Anbruch dieser Nacht . . .«, höre ich Valadas Stimme. Ein alter Vers. Gerichtet an ihn.
Mir ist diese Nacht verdorben. Zumindest ihr Beginn.
3
IN DEN STRASSEN VON CORDOBA.
Wenn die Nacht weicht und das frühe Licht die Straßen Cordobas erhellt, ist es tödlich still. Aber noch bevor die Sonne aufgeht, werden die Bewohner von dem Rollen hölzerner Räder aus ihrem Schlaf geweckt; ein Schlaf, der sich über sie ausgebreitet hat wie eine besänftigende Hand. Dann kommen die, die den Unrat wegzuschaffen haben. Die Latrinenreiniger mit ihren stinkenden Holzzubern sind die einen. Die anderen sind Männer, die sich um die Sauberkeit der Straßen zu kümmern haben.
Sie sammeln auf, was in den Gossen und an den Ecken herumliegt.
Nach gewöhnlichen Nächten sind das tote Ratten oder junge Katzen, die man, um sie vor einem Dasein auf der Straße zu bewahren, lieber gleich mit dem Kopf gegen eine Mauer geschlagen hat, Hunde, die von ihren Herren erledigt wurden, weil sie ihrer überdrüssig waren – der Abdecker sucht sich aus, was es an brauchbaren Fellen unter den Kadavern gibt. Und hin und wieder, in besonders abgelegenen Gassen, wohl auch einmal ein erstickter Säugling, der einer Familie ungelegen kam – zumeist natürlich Mädchen. Die Männer, die für Ordnung zu sorgen haben, wissen, dass es müßig ist, nach den Eltern zu forschen. Was bringt es, wenn ein armes Frauenzimmer wegen Kindesmord gesteinigt wird – wer soll dann ihre anderen Bälger ernähren? So verschwindet diekleine Leiche unter anderem Abfall, unter Melonenschalen, fauligen Zwiebeln und zerbrochenem irdenen Geschirr, um draußen vor den Toren der Stadt auf der Halde zu landen.
An den Morgen, die auf die Streifzüge der Bärtigen folgen, gibt es noch anderen Unrat einzusammeln. Zerfetzte Kleider, ausgerissenes Haar. Blut muss weggespült werden. Die Männer haben eigens lederne Eimer dabei, um von den städtischen Brunnen stets reichlich Wasser zu holen. Auf das Entfernen des Blutes ist strengstens zu achten, das hat der Wesir besonders angeordnet.
Es kann auch vorkommen, dass sie eine Frau finden, eine, die sich entweder nach den Misshandlungen aus Scham über die Entehrung nicht mehr zurück in ihr Haus gewagt hat oder die so schwer verletzt ist, dass sie sich nicht von der Stelle bewegen kann. Die laden sie auf ihre Karren.
Wenn sie allerdings eine Tote entdecken, und das geschieht oft, dürfen sie die – anders als die Säuglinge – nicht zu dem Abfall tun, sondern auf den gesonderten Wagen, der später zu den Totengräbern gebracht wird.
Eine lebende Frau, falls nicht allzu lädiert, ist kein schlechtes Geschäft. Für die Straßenreiniger. Sie bringen ihre Beute zu den Behausungen des Lumpengesindels, der Ausgestoßenen, die in den Trümmern einer alten Palastanlage wohnen oder in einer Ansiedlung von armseligen Hütten, nicht weit davon in der Schleife des Flusses. (Vor der Überschwemmung hatten sie an einer anderen, tiefer gelegenen Uferstelle gehaust, aber nun haben sie sich neue Unterkünfte errichten müssen.)
Dort haben diese Kreaturen, wie an ihrer vorigen Stätte, ihr Reich geschaffen, das nur den Außenstehenden wie ein wildes Durcheinander vorkommt. Genau wie die Ratten ihren Führer haben, dem sie sich unterordnen, und die Wölfe einen Leitwolf, der ihr Rudel anführt, gibt es in diesen Quartieren einen Herrscher. Sie nennen ihn den
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