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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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König.
    Dem König steht es als Einzigem zu, mit den Karrenführern und Straßenkehrern über ihre Ware zu verhandeln. Er begutachtet, was gebracht wird, legt die Preise fest, sucht sich seinen Teil aus und gibt den Rest frei.
    Wer von diesen Ausgegrenzten, dem Abschaum, über ein paar Dirhems verfügt, kauft sich gern eine geschändete Frau und versucht, sie gesund zu pflegen. Entweder braucht er eine Sklavin für Bett und Tisch, oder er vermietet sie als Hure   – das kann mitunter lohnend sein. Man ist zumeist gewiss, dass so ein Weib nicht weglaufen wird. Es ist nach dem, was ihm passiert ist, für alle Zeit geächtet, hat keinen Platz mehr dort, wo es herkommt.
    Sobald also die gleichmütigen Ochsen auf Schlammwegen ihre Karren in die düsteren Quartiere der Ausgestoßenen ziehen, ruft das Gerumpel zunächst den König auf den Plan.
    Er ist groß, kahlköpfig, seine Arme sind nackt. Die Muskeln der Oberarme treten wie Wurzelstränge hervor. Sein Gesicht ist so vernarbt, dass ihm kein Bart wächst. Seine Augen glänzen wie kaltes Metall.
    Man ehrt den König nicht nur unter den Seinen. Auch die Karrenmänner verneigen sich tief vor ihm. Sie wissen, dass man ihn nicht missachten darf. Wer das tut, den sucht Unheil heim, so heißt es. Dessen einziges Kamel stürzt und bricht sich ein Bein, sein Kind kommt unter die Pferdehufe und überlebt nur mit schiefen Knochen, sein Haus brennt nieder. Das hat es alles schon gegeben.
    Wie eine Nessel im Garten steht der Lumpenkönig da. Wenn man versucht, Nesseln zu roden, so entdeckt man, dass der magere Stängel über ein weit verzweigtes Geflecht von Wurzeln mit allen und jedem verbunden ist.
    Die Männer vom Müll verneigen sich also, während der König um die Wagen herumgeht, die Fracht inspiziert.
    »An diesem Morgen gibt es keine große Ausbeute, Herr«, sagen sie. »Wenige Weiber waren in der Stadt unterwegs, unddie Juden, auf die man es abgesehen hatte, gehen uns nichts an. Um die kümmern sich ihre eigenen Leute, wie du weißt. Das ist nicht unsere Arbeit.«
    Der König nickt. »Nun, es wird ja nicht das letzte Mal sein, dass ihr nach einer solchen Nacht unterwegs seid. Bald habt ihr wieder bessere Ausbeute.«
    Sie beginnen zu verhandeln.
    Die Stadt ist gereinigt.
    KASMUNA.
    Das fahle Morgenlicht bringt endlich Ruhe. Meine Mutter und die Schwestern, grünbleich von der in Angst durchwachten Nacht, gehen schlafen; die Kinder klammern sich an den Frauen fest wie kleine Äffchen; auf dem Arm, auf dem Rücken, die Beine um den mütterlichen Bauch geschlungen, zwischen Schlaf und Wachen, greinend. Am besten sind die Säuglinge dran, die Beruhigung trinken an der Brust, selbstvergessen und still.
    Die Männer schlurfen über den Innenhof, als habe man ihnen alle Knochen zerbrochen, sie lassen ihre unbenutzten Waffen, ob das nun Schwerter, Spieße oder Knüppel waren, einfach fallen, keiner kann und will mehr ein Wort sagen.
    Gepriesen sei der Ewige   – wir sind noch einmal davongekommen.
    Mein Vater verlässt sein Arbeitszimmer, in das er irgendwann gegangen ist; die Tefillin, die Gebetsriemen, um Kopf und Arm und den Mantel der Heiligung um die Schultern, und ich sehe, dass er die Nacht im Gebet verbracht hat.
    Ich trete still zu ihm.
    Er sieht mich mit einem Lächeln an, in dem sich Verzweiflung und Trauer mischen mit Erleichterung darüber, dass es nun vorbei ist für diesmal, und zieht mich an sich.
    »Willst du in die Synagoge?«, frage ich. Schließlich versammeln sich nach so einer Nacht die führenden Köpfe derGemeinde. Er nickt, und er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich mit ihm gehen will. Auch liebt er es, sich mit mir auszutauschen über das, was gesprochen wurde, im Nachhinein, so, wenn wir den Gottesdienst am Sabbat besuchen. Das ist etwas, das mich stolz macht.
    Ich helfe ihm, die derben hölzernen Querbalken von der Tür zu entfernen und die schweren Riegel zu öffnen (Arbeiten der Dienerschaft eigentlich, aber die soll jetzt auch ausruhen), dann verschleiere ich mich und folge meinem Vater durch die schwere, knarrende Tür, die   – dem Herrn sei Dank!   – wieder einmal standgehalten hat, auf die Straße.
    Brandspuren außen am Holz. Auf der Gasse Blut und Exkremente. (Die Judería hat für ihre Reinigung selbst aufzukommen.) Zerschlagener Hausrat in den Ecken, Möbel, Geschirr, zerrissene und besudelte Bücher. Der Schleier, den ich vors Gesicht halte, ist hilfreich. Ich muss nicht in aller Schärfe sehen.
    Mein Vater murmelt ein

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