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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Spottes.«
    Er mustert mich mit seinen kalten Augen. »Solange die Obersten dieses Reichs nicht zur Zielscheibe werden . . .«, sagt er, vollendet den Satz nicht.
    Ich lehne mich in gespieltem Schrecken zurück. »Meint Ihr Euch selbst? Aber Eure Manieren sind doch gewiss in jeder Hinsicht untadelig. Wobei ich natürlich nichts darüber weiß, was für Laster Ihr insgeheim habt . . .« Ich wiege den Kopf.
    Er holt Luft zu einer Erwiderung   – einer heftigen, wie es scheint, als sich mir eine Hand auf die Schulter legt. Ich blicke auf. Die Prinzessin ist herangekommen, so leise und schnell wie der Windhauch des Abends.
    »Ich hoffe doch, ihr habt euch miteinander vertraut gemacht!«, sagt sie. Ihre Augen senden stahlblauen Spott aus.
    Und wir beide, der Minister und die Händlerstochter, sagen wie aus einem Mund: »Oh ja, Herrin. Das haben wir.«
    Sie beugt sich zu mir herab, ihr Orangenmoschusduft steigt mir verlockend in die Nase.
    »Jetzt aber muss ich dir Muhdja entführen, Wesir. Ich habe noch ein paar Dinge mit ihr zu besprechen.« (Es treibt mir das Blut schneller durch die Adern, dass sie ihn mit dem Du anredet. So vertraut also ist sie schon mit ihm!)
    Ich erhebe mich, und Ibn Abdus verneigt sich im Sitzen und sagt ölig: »Ich bin kaum zu trösten, mich von deiner bezaubernden Freundin trennen zu müssen.«
    Valada zieht mich außer Hörweite des Mannes hinter einen der hellen Vorhänge, die von den Arkaden des Innenhofs herabhängen und   – für den späteren Fortgang des Festes   – Nischen mit Daunendecken und Seidenkissen bilden, voneinander abgeteilt wie »Nester«.
    »Nun«, fragt sie lachend. »Wie findest du ihn? Hast du schon genügend von seinem Wesen gespürt, um deine Reime auf ihn zu machen, mein Lästermund?«
    Sie küsst mich, wie es ihre Art ist, besitzergreifend.
    »Allah sei vor!«, sage ich, als ich zu Atem komme. »Keinen einzigen Vers werde ich auf diesen Mann dichten, Prinzessin. Er ist mir zu gefährlich!«
    »Was soll dir geschehen? Du gehörst zu mir!«
    »Gerade darum, Habibi, Geliebte, wird er versuchen, mir zu schaden. Ich glaube, dass er nicht zu denen gehört, die teilen wollen.«
    Der blaue Glanz ihrer Augen verrät, wie belustigt sie ist. »Genauso wenig, wie du teilen willst, nicht wahr? Aber dies schreckliche Schicksal haben bisher alle erlitten, die um mich sind. Und das wird sich auch nicht ändern. Denn ich gehöre nun einmal nicht einem einzigen Wesen, sondern nehme mir, was mir gefällt. Immer wieder.«
    Als wenn ich das nicht wüsste.
    »Erspar mir zumindest, weiter über diesen Herrn da zu reden«, entgegne ich missmutig, und sie lacht laut.
    »Ich suche dir einen Platz bei Leuten, die du magst und zu denen du dich hingezogen fühlst, und lass diesen Herrn, wie du so schön sagst, allein auf seinem Ehrenplatz. Ich bin bereit, anzufangen.«
    Bevor mich meine Prinzessin aber, den Arm um meine Schulter gelegt, fortführt in eine der Nischen, geschieht etwas Seltsames. Haben mich die mehr oder weniger unverblümten Drohungen, die der Hadjib ausgestoßen hat, irritiert? Haben sie meine Sinne verdüstert?
    Auf einmal ist mir, als hörten die Musikanten auf, ihre jetzt getragenen und einschmeichelnden Melodien zu spielen. Als habe sich eine riesige Pranke über alle Geräusche des Hauses gelegt und mit einem gepolsterten Handschuh die Töne erstickt, so wie der Henker im Kerker das Flehen eines Gefangenen auf der Folter erstickt. Brennen die Lichter noch?
    Über dem Innenhof, der Stätte der Freude und der Lust, scheint etwas zu kreisen. Ein schriller Raubvogelschrei. Ein Kreischen dann, anschwellend, abschwellend. Hass? Verzweiflung? Beides miteinander gemischt, ununterscheidbar? Böse Geister? Dämonen der Hölle?   –
    Wie es kommt, verschwindet es wieder.
    Ich bin stehen geblieben. Mir ist, als könne sich mein Fußnicht vom Boden lösen. Etwas presst mir die Adern am Hals zusammen. Der Schmerz schießt bis in die Schläfen.
    »Muhdja, was ist dir?«
    »Hast du es nicht gehört?«
    »Was, mein kleines Weibchen?«
    »Etwas   – ist über den Himmel geflogen. Etwas war über uns.«
    Valada sieht mich an, halb ungeduldig, halb belustigt. Ihre Augen sind sehr dunkel. »Hat dich der Schatten eines Gespenstes gestreift? Du bist ja ganz blass geworden. Komm, leg den Kopf in den Nacken und sieh hinauf. Da ist nichts über uns am Himmel als die Sterne.«
    Gehorsam sehe ich nach oben.
    Ja, da sind die Sterne. Unverrückbar. Und hinter den Mauern des Hauses der Schein

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