Valadas versinkende Gaerten
Honoratioren sind für einen Moment verstummt. Ich zerknülle meinen Schleier zwischen den Fingern. Der eigentliche Grund . . .
Der eigentliche Grund bin ich. Das schamlose Weib, die Konkubine der Prinzessin – so sehen sie mich, die gewalttätigen Eiferer. Jener Prinzessin, an die sie sich nicht heranwagen, die unterm Schutz des Volkes von Cordoba steht – und neuerdings auch unter dem des Hadjib. Der man kein Haar krümmen darf, so gern man es möchte. Umso kräftiger kann man gegen eine Jüdin vorgehen, gegen eine Ungläubige, die dieser Person am Herzen liegt.
Ja, ich liege ihr am Herzen. Und ich frage mich in dieser Stunde, wie wohl die Männer meines Volkes das nennen, was ich für die Prinzessin bin. Bin ich für sie . . . verflucht? Ich fühle mich elend da in meinem Versteck. Hätte zu Haus bleiben sollen.
Und sie reden weiter. Es ist wieder der Rabbi. »Die zehn Ernsten Tage sind angebrochen, Freunde. Und so wahr der Ewige lebt, werden wir an deren Ende den nächsten heiligen Tag feiern, Jom Kippur, das Versöhnungsfest. Wir müssen dem Wesir eine Spende schicken, als Dank für den Schutz, den er uns diesmal angedeihen ließ . . .« Die Männer murmeln, lachen bitter. »Aber vielleicht ist es beim nächsten Mal ja wirksamer. Im Übrigen sollten wir überlegen, wie wir uns schützen können. Ihr, Ismael Ibn Jeschulla, müsst überlegen.«
»Was verlangt Ihr von mir?«, fragt mein Vater, und ich höre, wie er sich ein paar Schritte von dem Vorhang entfernt. Er will natürlich nicht, dass ich mit anhöre, worüber jetzt geredet wird.
»Wenn sich herumsprechen würde, dass Eure berühmte Tochter Jom Kippur nicht in Eurem Haus verbringt – vielleicht fallen die Ausschreitungen für uns alle dann tatsächlich gelinder aus.«
»Das ist absurd!«, entgegnet mein Vater heftig. »Zum einen: Meine Familie bleibt zusammen, wenn eine Bedrohung auf sie zukommt. Und zum anderen: Vielleicht könnte meine ›berühmte Tochter‹, so wie Ihr Euch ausdrückt, ja Schutz für uns bewirken. Sie hat das Ohr der Prinzessin.«
»Gewiss, mehr als nur das Ohr!«, bemerkt jemand beiläufig.
»Ich verbitte mir . . .«, fährt mein Vater auf, und der Chasan beruhigt: »Liebe Freunde, das ist nicht die Stunde für . . . Spitzfindigkeiten. Lasst uns überlegen . . .«
Ich höre nicht mehr zu. Mein Gesicht brennt.
Ja, vielleicht haben sie noch aus einem anderen Grunde Recht. Vielleicht gibt der hinterhältige Wesir den Plünderern tatsächlich einen versteckten Hinweis, gegen wen besonders sich ihre Taten und Worte richten sollen.
Dennoch haben diese Männer Angst, und das ist verständlich. Aber nun nutzen sie zudem die Situation dazu, meinem Vater ihr Missfallen über meine Freundschaft mit Valada »nahezubringen«! Noch immer knete ich den Stoff meines Schleiers zwischen den Fingern, möchte ihn am liebsten zerreißen.
Es klingt mir noch in den Ohren. Was sagte der Rabbi eben? ». . . dass Eure berühmte Tochter Jom Kippur nicht in Eurem Haus verbringt . . . vielleicht fallen die Ausschreitungen dann für uns alle tatsächlich gelinder aus . . .«
Ja, ich muss fort aus Cordoba. Jedenfalls für eine Zeit. Über das Versöhnungsfest. Vielleicht erspart meine Abwesenheit den Juden Cordobas wirklich das Schlimmste. Obwohl ich mit Sicherheit nur ein Grund unter Gründen bin.
Aber dies hier muss beendet werden, diese peinvolle Angelegenheit. Für mich und für meinen Vater peinvoll.
Mit einem Ruck ziehe ich den Vorhang, der die Frauenabteilung vom Rest der Synagoge trennt, beiseite und taste mich an der Balustrade entlang, wende mich um und gehe zu unseren Würdenträgern.
Man verstummt, und da ist er wieder, dieser scheele Blick von der Seite, diese unverhohlene Verachtung. In den Zügen meines Vaters malt sich Entsetzen.
»Verzeiht«, sage ich so ruhig, wie es mir gerade gelingen kann, »ich war auf der Suche nach . . . einem Tuch, das ich beim letzten Gottesdienst hier verloren hatte. Aus Versehen habe ich nun mithören müssen, was Ihr beredet habt, ehrenwerte Herren. Es betrübt mich im Herzen, dass meine Anwesenheit im Haus meines Vaters . . . nun, die Position verschlechtert, die diese Gemeinde beim nächsten Überfall hat, und der, so meint Ihr gewiss mit Recht, findet zur Jom-Kippur-Feier statt.
Aber dem kann abgeholfen werden.«
Ich lächele, sage leichthin: »Mir ist es gerade eingefallen während Eurer Reden: Schon lange fragen der Bruder meiner Mutter und seine Familie in Granada nach mir, erbitten
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