Valadas versinkende Gaerten
Chor. Aber sie hebt die Hand, bringt den Gesang zum Schweigen.
»Was hat dies Weibsbild vor?«, fragt Al Mutadid misstrauisch. Und sein Sohn schiebt sich an mich heran. »Irgendetwas läuft schief«, murmelt er.
»Tut etwas, Hadjib!«
Ich schüttele den Kopf. »Hoheit, Ihr habt es Euch zu leicht gemacht. Ihr habt die Prinzessin unterschätzt. Es wäre klüger gewesen, Ihr hättet mich befragt, wie . . .«
Ich verstumme. Denn nun spricht sie da draußen. Spricht, wie nur sie es kann.
»Ihr Anhänger des Propheten und seiner Nachfahren, Gläubige des rechten Weges, der nichts zu tun hat mit fins teren Machenschaften, hört mich an: Man hat mich, man hat uns alle auf das Schändlichste betrogen. Die Männer aus Sevilla führen den Kalifen nicht mit sich. Der alte Mann ist vielleicht schon vor Jahren in der Fremde verdorben und gestorben. Sie haben diesen Vorwand nur benutzt, um sich Cordobas ohne Waffengewalt zu bemächtigen.«
Auf dem Platz tritt langsam Ruhe ein, erneut flammt hier und da das Lied auf; es dauert, bis auch der Letzte begriffenhat, um was es geht. Es legt sich drohendes Schweigen über die Menge, über all die weißen und hellen Kopfbinden und Turbantücher und die Schleier der Frauen, ebenfalls weiß, soweit sie es sich leisten können, gebleichtes Leinen oder Baumwolle zu tragen. Hier und da quäkt ein Kind, das in seiner Welt haust und nicht begreift, warum es rings so still ist.
Die Prinzessin geht hin und her zwischen den Säulen der Terrasse und bewegt die Arme in großer Geste.
»Ich bin nicht dagegen, Herrschaft zu erweitern ohne Schwerter und abgeschlagene Köpfe, wie es die meisten Fürsten tun. Man kann Verträge schließen, heißt es. Aber durch einen Betrug an die Macht zu kommen, einen Betrug, der die Herzen der Gläubigen wie mit Nägeln durchbohrt – das ist schäbig und ehrlos. Cordoba fällt in die Hände von Männern, die aus den Dingen des Glaubens einen billigen Scherz machen. Ewig schade!
Und wir? Wir sehen uns das an?«
Ihre bewegten Arme sind wie große, helle Schwingen.
Besorgt behalte ich die Mienen der Männer aus Sevilla im Auge. Das hier kann keinesfalls gut gehen. Falls der verfluchte Ibn Zaydun hinter dem Ganzen steckt – er hat uns ein übles Ei ins Nest gelegt.
»Warum stopft keiner dieser Hexe das Maul?«, fährt mich der Emir an.
»Weil sie die Omayaden-Prinzessin ist, Mawlah!«, sage ich. Und kann mir nicht verkneifen, hinzuzufügen: »Die legitime Verwandte des Mannes, der eigentlich in der Sänfte sitzen sollte.«
Al Mutadid macht schmale Augen. Klar, dass ihm meine Bemerkung nicht schmeckt.
Ich hingegen – ich lasse den Dingen ihren Lauf. Es ist im Moment nicht an mir, in irgendetwas einzugreifen.
»In diesem Saal«, tönt die Stimme Valadas weiter auf derTerrasse, und ihre ausgestreckte Hand weist hinter sich, »sind die Männer versammelt, die der Stadt Cordoba Gewalt antun. Ich weiß, ja, wir alle wissen, dass es mit der Regierung dieser Stadt nicht immer zum Besten bestellt war, dass ihr – und mit Duldung der Obrigkeit! – oft genug tyrannisiert wurdet von den Barbaren, die Al Mansur einst aus Afrika hierher holte. Nun liefert sie euch, liefert sie uns zu alledem noch an die Fremden aus!«
Ein Murren der Empörung, wie das Knurren einer großen Raubkatze, dringt vom Platz her an unsere Ohren.
Bei Allah, diese Frau hätte das Zeug zu einer Anführerin; nur, dass es dergleichen in unserem Verständnis von Herrschaft nicht gibt. Jedenfalls nicht auf der öffentlichen Bühne, nur hinter den Kulissen. (Und die Möglichkeit, auf die sie so erpicht war, wurde ihr nun gerade genommen . . .)
Ich beobachte die Männer aus Sevilla. Sie scheinen aufs Äußerste verunsichert, alle reden auf den Fürsten ein, der Kronprinz hat die Hand am Dolch. Der kleine Kerl neben ihm, der den Beduinenschleier bis zu den Augen gezogen hat, gestikuliert wild. Mit Sicherheit: Das ist Ibn Zaydun – wenn ich mich nicht irre, der geheime Anstifter dieser ganzen Aktion.
Vom Platz her kommt Bewegung in die Szene. Die ersten Gegenstände fliegen. Noch sind es nur Orangen und Quitten, als Zehrung mitgenommen für das zu erwartende Schauspiel. Bald werden es Steine sein. Es liegen ja genügend davon herum.
Eine Stimme gellt: »Es gibt keine Macht und keine Barmherzigkeit außer bei Allah! Du bist unsere Sayyida Al Kubra, Prinzessin. Sag uns, was zu tun ist!«
»Das steht allein bei euch, Leute von Cordoba!«
Sie spielt wahrhaftig mit dem Feuer, und
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