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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Stadt tragen ebenso weißes Leinen wie der Hadjib, der zur Rechten des leeren Throns sitzt.
    (Abd Al Malik   – kluge Geste!   – hat es vorgezogen, wie ich sehe, sich diesem Spiel durch ein »Unwohlsein« zu entziehen.)
    Links vom Thron sie. Meine gierigen Blicke saugen sich an ihr fest. Sie trägt keinen Schmuck, nicht einmal jene Arm- oder Fußreifen, mit denen sie sonst durch die Welt klirrte, aber um ihren Hals Perlen. Ungewohnt an ihr. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass es die Perlen der Jüdin sind. Wie sentimental sie sein kann, und wie pathetisch!
    Unter dem hauchdünnen Schleier fällt ihr das Haar frei über die Schultern. Das wachsbleiche Gesicht mit den gewölbten Bögen der Brauen ist vor Anspannung regungslos.
    Unsere Soldaten haben die Sänfte, diese hohle Versprechung, nun auf ihren Schultern hereingetragen. Wir, eine bunt schillernde Truppe, treten bis zur Mitte des Saals vor und lassen sie in dem freien Raum zwischen dem Thron und uns abstellen.
    Was wird geschehen? Von draußen, durch die offenen Säulen, die zum Tor der Gerechtigkeit führen, dringt das Geraune der vielköpfigen Menge herein wie das ferne Summen eines Bienenschwarms.
    Die Luft ist geladen wie vor einem Gewitter. Alle in diesem Saal sind bewaffnet. Ich halte mich ganz hinten bei der Tür auf, bereit, zu fliehen, falls es zum Kampf kommt. Ich habe nicht vor, mein Leben zu opfern für die Chimäre, die ich ersonnen habe und die sich nun verselbstständigt hat.
    Jetzt tritt Al Mutadid vor, der angebliche Stellvertreter des »alten Kalifen«, und Ibn Abdus erhebt sich, steigt gemessen die Thronstufen hinab, beugt sich nieder und küsst den Boden vor den Füßen des Emirs.
    Dann richtet er sich auf und wartet. Aller Augen sind auf die Sänfte gerichtet.
    Der Fürst tut den Mund auf.
    Es ist die gleiche knarrende, befehlsgewohnte Stimme, die keinen Raum für Gefühl lässt, wie kürzlich, als er den versammelten Kleinkönigen von seiner Engelsvision berichtet hatte, und auch hier macht seine nüchterne Sprache das Ungeheuerlichedessen, was er sagt, noch deutlicher. Offenbar hat ihm der gleiche Ratgeber wie damals den Text zugeschnitten und anprobiert, bis er leidlich passte. Und wenn ich verärgert und irritiert bin, dass ich in diesen letzten Abschnitt der Vorbereitung nicht einbezogen wurde   – ich hätte so eine platte Dreistigkeit nicht fertiggebracht.
    Es ist ja so einfach. Dasselbe Muster noch einmal variiert.
    Wieder ist ihm ein Engel erschienen, wie einst Mohammed. Diesmal allerdings hat der himmlische Gesandte ihm erklärt, dass der Prophet   – Allah segne ihn und gebe ihm Heil!   – seinen hehren Anverwandten nach so vielen Jahren des Erdenwallens nun von den Bitternissen dieses Jammertals erlösen wolle und sich nach seiner Gesellschaft im Paradies sehne. Deshalb habe er den erlauchten Hisham mit sich genommen. Der Kalif, so Al Mutadid, sei in dieser Nacht leiblich mit dem Engel zur Pforte der Seligen aufgestiegen. Vorher aber habe er ihn, den Emir von Sevilla, mit seiner Stellvertretung auf Erden betraut. Da die versammelten Emire der kleinen Taifas südlich und westlich von Sevilla ihm ohnehin bereits gehuldigt hatten, sei es für Cordoba, dem alten Sitz des Kalifats, sicher nur eine Formalität, sich den anzuschließen.
    Und dann reißt er den Vorhang der Sänfte zurück und offenbart das Nichts.

36
    IBN ABDUS.
    Zugegeben, so krass habe ich es mir nicht vorgestellt. Ich dachte denn doch, dass sie noch irgendeinen gebrechlichen, unvermögenden Greis eingeplant hätten.
    Aber wozu sich die Mühe machen?
    Es ist das, was man eine Eroberung ohne einen Schwertstreich nennt. Wir haben uns, unterm Druck des Stadtvolkes, den Feind ins Haus geholt. Unsere Chance ist gleich null. Aber das war mir ja längst klar, so oder so.
    Ich danke Allah wortlos, dass ich Abd Al Malik von diesem Ereignis ferngehalten habe. Er, mit Sicherheit, hätte das Schwert gezogen   – wohl das erste und letzte Mal in seinem Herrscherleben.
    Ich, mit ebenso viel Sicherheit, werde versuchen, den Konflikt zu vermeiden. Vor allem werde ich nicht stolz und nobel abdanken   – das hatte ich niemals im Sinn. Ich muss mich gleich ins Spiel bringen, das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. Ich werde zusehen, dass ich, wenn ich jetzt schon nicht lenke, so doch zumindest in die Zügel greifen kann.
    In der atemlosen Stille, der diesem unverschämten Auftritt folgt, sind aller Augen auf mich gerichtet.
    Ich beuge langsam das Knie,

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