Valadas versinkende Gaerten
einmal sind«, rede ichunbeirrt weiter, »und wir müssen mit ihnen umgehen. Wir sind vor vollendete Tatsachen gestellt worden, und ich wäre ein schlechter Staatsmann, das nicht anzuerkennen. Aber vielleicht versteht Ihr, meine Herren aus Sevilla, wie groß die Enttäuschung der Prinzessin bint Al Mustakfí sein muss. Ihr Lebenstraum, das, worauf sie sehnlich gehofft hat, ist heute zerbrochen.«
»Heuchler! Halt den Mund!«, ruft Valada, ohne mich anzusehen.
Jetzt ist der Prinz wieder an der Reihe. »Nun, so manchen Lebenstraum hat wohl schon jeder von uns einmal aufgeben müssen!«, bemerkt er süffisant und stolziert weiter vor Valada herum, während sie nun endlich zulässt, dass ihr die Ärzte das blutgetränkte Tuch aus der Hand nehmen und einen Verband anlegen (natürlich ist das kein tiefer Schnitt, es kam ja nur auf den Effekt an. Aber schmerzen wird es schon).
Der Prinz fährt fort; es klingt, als spräche er zu sich selbst: »Aber so sehr wir die Gefühle einer schönen Herrin, noch dazu einer Dichterin, achten und respektieren – hier geht es um die Ruhe und Sicherheit Cordobas. Ich denke, es ist ganz im Sinne meines Vaters, des Emirs, wenn wir die Prinzessin bitten, ihr Haus nicht zu verlassen, bis wir hier gefestigte Verhältnisse haben.«
Und der Mann auf dem Thron nickt.
Die Prinzessin hebt den Kopf, und ihr Gesicht ist so weiß wie der Verband um ihren Hals. »Ihr wollt mich einsperren? Nur zu! Das ist ein wundervoller und nützlicher Einfall. Aber wieso in meinem Haus? Von da aus habe ich genug Möglichkeiten, euch in die Quere zu kommen!«
Sie erhebt sich, streckt in großer Geste die Arme nach vorn. »Fesselt mich, legt die letzte Omayade in Ketten, führt mich in den Kerker! Ich bestehe darauf. Hier habe ich ohnehin nichts verloren.«
»Deine Bitte ist so unsinnig nicht, Prinzessin«, sage ich indie allgemeine Stille hinein. (Leuten, die sich möglicherweise selbst verletzen könnten aus gekränktem Stolz, sollte man die Möglichkeit dazu nehmen, falls einem etwas an ihnen liegt.)
»Es war keine Bitte!«, herrscht sie mich an. Nun gut.
Ich wende mich an die Besatzer. »Erlaubt, meine Herren, dass ich Valada bint Al Mustakfí in einen der festen Räume des Alcazar verbringen lasse, bis sich hier alles . . . beruhigt und gefestigt hat. Sie wird dort Gefangene sein, wie sie selbst es wünscht, und auf das Ehrenvollste behandelt werden. Natürlich« – ich lächle – »ohne Ketten.«
Während dieses Schlagabtauschs habe ich die Gestalt zwischen den Säulen immer wieder ins Auge gefasst. Sie hat sich nicht gerührt.
37
EINE HÜTTE IM QUARTIER DER AUSGESTOSSENEN.
Es ist dunkel. So dunkel, dass man nichts sieht, nur riecht, fühlt, schmeckt. Und hört.
Um mich herum ist das Summen. Das Summen wie von vielen Bienen.
Ich bin im Inneren eines Bienenstocks, und Wärme umfängt mich. Wärme, die den Schmerz wegnimmt. Von meinem Kopf, der in Flammen steht. Von meinem Körper, der nur noch aus pulsierenden, zuckenden Fetzen zusammengesetzt ist, ein Mosaik, in dem sich nichts an der richtigen Stelle befindet. Aber jeder dieser Fetzen schreit vor Schmerz. Von den glühenden Nadelstichen, die mich durchzucken, da, wo einst die Quelle der Freude war und wo nun noch immer eine Folterhöhle ist.
Aber das Summen tut gut. Es ist wie eine Hand, deren ausgestreckte Finger in den Schmerz hineingreifen, ihn packen und woanders hinbringen.
Aber anfangs gelang es der Hand nicht immer. Der Schmerz war hartnäckig und wehrte sich. Doch nach und nach trat Linderung ein. Immer häufiger verstummte das Schreien, und in den Momenten der Stille konnte ich Atem holen, tief und bis in die Spitzen meiner Lungen.
Manchmal berührte Honig meine geschwollenen Lippen, und ich leckte ihn ab. Meine zerbissene Zunge wurde taub davon.
Auch mit Wasser wurde ich genetzt. Viel Wasser brauchte ich. Wasser spült die Kruste vom Schmerz, nimmt ihm das Rissige. Glatt war er leichter zu ertragen.
Ich wurde auch angefasst.
Die Fingerspitzen waren zart wie die Füße kleiner, freundlicher Insekten. Wenn sie auf meine Haut trafen –, auf die Stellen meiner Haut, die heil geblieben sind – erinnerte ich mich daran, welche Gefühle es erweckt hat, früher, wenn ich gestreichelt wurde. Aber es ist nur eine Erinnerung. Ein Windhauch, der den Duft von etwas bringt, was einmal war. Wie von verwelkten Pflanzen.
Die Fingerspitzen zogen den Schmerz aus mir heraus und taten ihn an eine andere Stelle außerhalb von mir.
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