Valadas versinkende Gaerten
als wisse er, wer ich sei.
Was aber am Ende dieses merkwürdigen Werks steht, das treibt mich seitdem vorwärts, auf einen anderen Pfad. Es hat eine Saite in mir zum Schwingen gebracht, die bisher noch keiner berührt hatte.
Es hat mich erweckt.
Erweckt, weil ich es will.
Für mich sind Poesie und Liebe wie zwei Säulen. Dazu steht eine dritte: Herrschaft.
Mir ist, als triebe mich dies Buch unerbittlich vorwärts.
Ich muss mich an die Arbeit machen.
MUHDJA.
Durch Straßen der Judería, die inzwischen wieder so blank und unschuldig aussehen, als wäre ihr Pflaster nicht vor kurzem noch wahrscheinlich von Blut gesprenkelt gewesen – durch solche reinliche Straßen also eile ich auf dem kürzesten Weg ins Händlerviertel, um bei meinem Vater nach dem Rechten zu sehen. Nach so einer Nacht wäre ich beunruhigt, wenn ich es nicht täte. Unwillig zwar gehe ich und sonst auch in größeren Abständen, aber es ist vonnöten. Dawja, unsere Dienerin, ist nicht in der Lage, für Ordnung zu sorgen. Als meine Mutter noch lebte, folgte sie deren genauen Anweisungen, und so ging es ganz gut. Aber welche Anweisungen soll ein Mann wie mein Vater ihr wohl geben in Fragen der Haushaltsführung? Er sieht weder Schmutz noch Chaos.
Natürlich könnte ich meine Prinzessin bitten, mir einen oder zwei Sklaven zu schenken für die Hausarbeit hier, und sie würde es ohne Zögern tun, aber das will ich nicht. Ich will es vermeiden, dass sich diese meine Welten vermischen, auch wenn ich kaum mehr hier lebe. Beides soll getrennt sein voneinander.
Und das ist nicht so schwer. Hier im Händlerviertel vermeidet man tunlich, ein Wort darüber zu verlieren, wie mein »anderes Leben« aussieht. Es ist den meisten einfachen Leuten hier peinlich, dass die Tochter des Feigenhändlers Kasim die Frau einer Frau ist, und so wendet man die Augen ab. Und wäre es nicht Valada, die von allen Geliebte, würde es wohl auch einmal eine andere Reaktion geben. So wie bei unserer Dawja, die mich – soll sie doch! – als Hure und »krankes Weib« verachtet.
Die Prinzessin auf der anderen Seite kümmert sich nicht um das, was ich mein früheres, mein »erstes Leben« nenne. Sie mischt sich nicht ein. Gehe ich aus ihrem schönen Anwesen fort, bittet sie mich, bald zurückzukommen; bin ich wieder bei ihr, ist sie zärtlich und stürmisch. Aber was ich in derkurzen Zeit mache, wo ich nicht bei ihr bin – das ist für sie eine weiße Seite, die zu beschriften sie nicht das geringste Interesse hat.
Es ist ein Kleine-Leute-Dasein, aus dem ich komme. Ein Leben von der Hand in den Mund. Wie knapp es bei uns manchmal zuging, das kann sich die Prinzessin nicht vorstellen. Und das soll sie auch nicht. Ich berichte ihr nichts von meinem Zuhause. Nichts von den Abenden, an denen, so weit ich zurückdenken kann, mein Vater bei trüb blakender Lampe saß, seufzend über das Rechenbrett gebeugt, um herauszubekommen, ob er die nächste Partie Feigen noch einkaufen kann, neben sich die offene, nur spärlich bestückte Geldschatulle. Nicht einmal vom Tod meiner Mutter habe ich ihr erzählt.
Ich sehe, der Eingang unseres Hauses steht offen – sogleich die erste Schlamperei Dawjas, der ich begegne. Ich stoße die Tür noch weiter auf und rufe. Niemand antwortet. Im Patio liegt ein Berg ungewaschener Kleidung herum. Ein mit Wasser gefüllter Waschbottich steht da. Daneben ein Stück Olivenseife. (Himmel, wie oft habe ich ihr gesagt, dass die Wäsche zum Fluss gebracht, das kostbare Wasser unseres Hausbrunnens nicht verschwendet werden soll für diese »Katzenwäsche«!)
Der Besen lehnt an der Tür. Gefegt wurde heute noch nicht. Auf dem Küchentisch verlustieren sich ungeniert Mäuse an Essensresten und sind offensichtlich sehr verwundert, dass ein Mensch sie zu stören wagt.
Halb angewidert, halb erheitert betrachte ich diese Überbleibsel. Dass ich so gelebt habe, bevor ich es anders kennen lernte – der gleiche notdürftig ausgespülte Holzbecher für Milch oder Wein, ein Zinnteller für Suppe oder Brei, das Durcheinander bei einer Mahlzeit, so wie sie es alle halten in diesen stickigen, engen Gassen, süß oder sauer und salzig, was gerade da ist – anders kennen sie es nicht. Niemand hat siegelehrt, dass man auch, wenn man nicht im Überfluss lebt, seinen Tisch mit Überlegung und einer gewissen Zierlichkeit gestalten kann, dass man erst die Suppe isst und zum Abschluss das Obst. Freilich, bei Valada, die so etwas eingeführt hat, gibt es zudem
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