Valadas versinkende Gaerten
Gewahrsam sitzt. (Beim Gedanken an ihn regt sich mein Zorn – und mein Begehren, untrennbar beides miteinander vermischt wie Galle und Wein. Ich streiche ihn aus meinem Kopf. Für jetzt. Er hat sich gestern Abend lange genug darin breitgemacht.)
Noch schlafbefangen, streife ich durch die Räume. Geschäftigkeit um mich herum. Mein Hauswesen bereitet sich auf einen gewöhnlichen Tag vor, verwandelt sich zurück vom Liebestempel und vom Musenhof in meine Wohnstatt.
Auf einem der geglätteten Wege, die durch den in der Morgenkühle duftenden Park schlängeln, hat einer meiner Gäste für mich einen Dankesgruß hinterlassen, Buchstaben, in den Sand geschrieben. Ein Motto gleichsam: »Was glücklich macht, ist hier erlaubt!«
Das ist schön. Ich klatsche in die Hände, hole so jemanden herbei, den ich bitte, die Worte zu notieren. Ich würde sie gern in metallenen Lettern über der Tür meines Hauses anbringen lassen.
Was glücklich macht. Ja . . .
Doch es sollte noch anderes geben, was von mir und dieser meiner Burg hier ausgeht. Mehr, als Glück zu spenden für ein paar Erlesene. Mehr zu sein, Größeres als eine Fürstin der Dichtkunst.
Meine Schläfrigkeit ist fort. Weicht der Begierde nach einer stummen Zwiesprache, die mich seit Neustem mehr bewegt als alles andere. Ich lasse mir einen Becher warme Kamelmilch mit Honig bringen und nutze die Stunde, wo noch alles jungund neu ist, um mit meinem Geheimnis Zwiesprache zu halten.
Mit dem Schatz aus den Tiefen der Bibliothek meiner Vorfahren, den ich entdeckt habe. (Zufall? Oder wollte das Schicksal, dass ich es finde? Ich frage nicht danach.)
Ein Buch, das mir in die Hände glitt, als ich nach Versen des Meisters der Liebesdichtung, Ibn Hamdis, suchte. Was es in diesem nur der Dichtung bestimmtem Regal zu suchen hatte, weiß ich nicht.
Es ist ein schmales Bändchen, unscheinbar von außen, aber die Seiten aus feinstem, geglättetem Pergament. Es trägt den etwas langatmigen Titel: »Bericht von den wundersamen Taten der Herrscher Cordobas aus edelstem Geschlecht und was die Sterne von ihrem Untergang und erneutem Aufgang wissen.«
Es machte mich neugierig, als ich es fand. Und so wie heute auch wieder ließ ich mich mit untergeschlagenen Beinen auf einem Polster nieder, einen Becher in der Hand, und beugte mich tief über das Buch.
Die ersten Zeilen versetzten mich in einen seltsamen Schrecken, denn der Verfasser redete mit mir. So etwas kannte ich nicht. Es gibt keine Tradition, in der man so schreibt.
Du bist gemeint, für dich sind diese Zeilen!
, beginnt der Text, und jedes Mal, wenn ich diese Seite aufschlage, packt mich wieder ein gelinder Schauer, obwohl ich auch darüber lachen muss, dass ich mich so fangen lasse von diesem Trick, den Lesenden zu fesseln.
Was ist das für ein Buch?
Nun, man könnte es für eine Art Lobeshymne auf die Großtaten der Omayaden halten, verfasst nicht etwa in Versen, sondern in einer altertümlichen und ungeschliffenen Prosa, so, wie vielleicht die Araber vor zweihundert Jahren sprachen, bevor ihnen Liebe zur Dichtung und Wetteifer in der Poesie die Worte geglättet haben.
Das Merkwürdigste aber ist, dass der Verfasser mit Leidenschaftjedes Ereignis festmacht an der Konstellation der Gestirne.
Denn so stand es in den Sternen,
schließt jeder Absatz.
Das geschah
, so ist etwa geschrieben,
weil im himmlischen Straußennest zu diesem Zeitpunkt fünf Straußenweiber sich zu zwei Straußenhähnen gesellten und bald ihre Eier ausbrüteten. Der junge Ziegenbock stieg und sank mit Lebhaftigkeit, und das sollst du glauben. Nur, weil das am Zelt der Welten vorgegeben wurde, konnte Cordoba gegründet werden, so wie ein Kind geboren wird, ein Kind des Heils.
Was für ein Unsinn, dachte ich und nippte an meiner Milch, bevor sie kalt wurde, so wie ich es jetzt auch tue.
Cordoba also wurde gegründet, weil sich am Himmel etwas tat? Der »junge Ziegenbock«, das ist der Polarstern. Das weiß ich. Aber ansonsten verstehe ich weder von Astronomie noch ihrer Zwillingsschwester Astrologie das Mindeste. (Letztere wird von den Gelehrten ohnehin mit Misstrauen betrachtet.)
Und trotzdem kehre ich immer wieder zu diesem Buch zurück, dessen einzelne Abschnitte so plastisch die großen Taten meiner Vorfahren beschreiben und sie dem Wirken der Gestirne zuordnen.
Ich lese darin mit einer Mischung von Belustigung und Betroffenheit, und jedes Mal zucke ich wieder zusammen, wenn mich der Verfasser mit seinem aufdringlichen »Du« anredet,
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