Valadas versinkende Gaerten
Geräusch von klappernden Hufen auf Holzbohlen. Aberdas kommt nicht. Stattdessen scheinen wir zu steigen. Die Träger haben Mühe, unsere Sänfte auszubalancieren, wir schwanken hin und her, und ich höre die peitschenscharfe Stimme des jungen Mannes, des Vorläufers, der die Sklaven anherrscht.
Valada lacht, und wir halten uns aneinander fest wie Kinder auf einer Wippe.
Es geht weiter bergauf, und schließlich scheinen wir den erwünschten Ort erreicht zu haben.
Der Vorläufer öffnet den Sänftenvorhang, kniet nieder auf einem Bein, reicht der Herrin die Hand und bietet ihr das andere Knie zum Aussteigen.
»Und bekomm keinen Schreck!«, sagt Valada noch, dann bin ich dran, mir wird genauso geholfen – und ich bekomme den Schreck.
Hier war ich noch nie.
Wir sind, so weit kann ich mich orientieren, auf der anderen Seite der Stadt, und weit oben. Um uns herum nichts als Trümmer. Marmorbrocken, abgebrochene Säulenstümpfe, überall Geröll und Schotter auf dem Boden, durch die dünnen Sohlen unserer leichten Schuhe spürbar. Stachliges Gras. Zwei, drei kümmerliche Palmen und ein Feigenbaum geben dünnen Schatten. Es weht ein heißer Wind.
Der dunkellockige Vorläufer kann den Sonnenschirm, den er eilfertig herbeigeschleppt hat, kaum festhalten.
»Wo sind wir hier?«, frage ich und ziehe den Schleier vor Mund und Nase.
Valada lacht. »Das kommt darauf an, ob du hören willst, was das einmal war oder was es dereinst sein soll!«, entgegnet sie. »Komm noch ein paar Schritte weiter. Ich kenne hier einen leidlichen Platz.«
Sie führt mich am Ellbogen über diesen Schutt bis zu einer Stelle, wo ein halb zerstörter Torbogen das grelle Sonnenlicht abhält und ein umgestürzter Säulenschaft eine Art Sitz bietet,und schnipst mit den Fingern. Der Vorläufer bringt ein weiches Leder, das er über den Säulenrest breitet; ein zweites liegt auf der Erde. Ein Krug und zwei Gläser, Oliven, Fleisch – sie hat etwas vorbereiten lassen für diese Einöde!
»Bedien dich, Kasmuna!«
Ich schüttele den Kopf. Meine Freude über diese kleine gemeinsame Reise ist einer dumpfen Beklemmung gewichen. Die halbe Stadt besteht aus Ruinen – warum muss sie mich hier in ein weiteres Trümmerfeld führen?
Sie winkt mit einer ihrer herrischen Bewegungen den jungen Mann weg, wir sind jetzt außer Hörweite von jedermann; die Träger kauern im Schatten der Sänfte, ich sehe, wie ihre Muskeln zittern nach der Anstrengung, und wünschte, sie bekämen etwas zu trinken . . .
»Setz dich!«, befiehlt Valada, und ich gehorche. Sie indessen steht vor mir, gerade und stolz, die Sonne scheint ihr nichts auszumachen, und ihr weißer Mantel weht im Wind.
»Nun will ich dir deine Frage beantworten«, sagt sie. »Wir sind hier in den Trümmern der Residenz des verfluchten Al Mansur, der sich die Herrschaft im Reich der Omayaden anmaßte und hier das Gegenstück zur az-Zahra bauen ließ: seinen Palast az-Zahira. Allah hat es gewollt, dass er weit gründlicher der Zerstörung anheim fiel als das Original. Du siehst, kein Brocken blieb hier auf dem anderen. Die Reste der Bauten wurden benutzt als ein Steinbruch, aus dem sich alle nach Belieben bedienten.
Das ist also die Vergangenheit. Die Gegenwart – nun, du hast sie vor Augen. Und die Zukunft . . .«
Sie ist mit einem großen Schritt bei mir, hockt sich vor mich hin und nimmt meine beiden Hände in die ihren. »Die Zukunft, Kasmuna, wird so sein, dass hier ein neuer Omayaden-Palast entstehen soll. Hier« – ihre Stimme schwingt und klingt – »hier werde ich herrschen, als eine Sayyida Al Kubra,eine große Herrin und Beraterin des künftigen Kalifen. – Nun, was sagst du?«
Ich kenne die Prinzessin gut genug, um zu wissen, dass sie nicht zu närrischen Fantastereien neigt. Niemand ist klarer im Kopf als sie. Bei jeder anderen würde ich annehmen, dass die Sonne ihr Gehirn versengt habe. Aber sie?
Ich atme langsam und tief. Dann bemerke ich vorsichtig: »Noch kann ich nichts sagen, Geliebte. Denn ich weiß nicht, wie es geschehen soll.«
Sie lässt mich los, steht auf, lacht. »So erkenne ich meine kluge Jüdin. Sie will nicht gleich mit einem Ergebnis überfallen werden, sondern den Weg zum Ziel wissen. Gut so.«
Sie setzt sich neben mich, nimmt sich ein paar Oliven und bietet mir erneut an – wieder schüttele ich den Kopf.
»Also«, beginnt sie und spuckt die Kerne in die Gegend, »zunächst einmal habe ich Ibn Zaydun fliehen lassen.«
Der Schreck
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