Valadas versinkende Gaerten
Vater erbaut hat, fern vom Alcazar seines Emirs, soll einem Wunder an Schönheit und Geschmack gleichen, und du bist gewürdigt, das alles zu sehen, Kasmuna.Grüße meinen Schwager Eli Ibn Mosche von mir. Sage ihm, ich fühle mich geehrt, verwandt mit einem Mann zu sein, der das große Glück hat, dem Nagid ha Negidim, dem obersten Vorsteher aller Juden des Landes Al Andalus und bedeutenden Wesir, zu dienen. Und verbringe einen nachdenklichen und besinnlichen Jom Kippur mit deinen Verwandten, eingedenk dessen, was wir vielleicht an Unrecht begangen haben im vergangenen Jahr.«
Seine warme Stimme, seine Zärtlichkeit beruhigen mich, obwohl ich seinen Worten nur mit halbem Ohr lausche. Denn noch gehen meine Gedanken nicht voraus. Noch bin ich mit den Dingen hier beschäftigt.
»Wenn ich fort bin, Vater, bitte ich dich: Geh zu Prinzessin Valada bint Al Mustakfí. Entschuldige mich bei ihr. Dass ich ohne Abschied abreise, bedeutet nur, dass ich sonst nicht fortgekommen wäre. Sag ihr das, und gib ihr dies Papier.« Ich hole das zusammengefaltete Blatt aus dem Ärmel und reiche es meinem Vater. Er legt es ohne ein Wort zwischen seine Schriften auf dem Arbeitstisch. Ich kenne ihn. Er wird es nicht lesen.
»Sodann«, fahre ich fort und sehe ihm fest in die Augen, »musst du mir versprechen, um Schutz zu ersuchen gegen die Überfälle der Berber am Jom Kippur. Erklär ihr, warum ich fort bin aus der Stadt. Erbitte, dass sie vom Wesir Ibn Abdus erwirkt, er möge an diesem Tag die Judería abriegeln und bewachen lassen von seinen eigenen Soldaten, nicht von der Stadtwache. Alles wird gut werden. Ich werde euch alle heil und unversehrt wiedersehen.«
Er segnet mich, küsst mich auf die Wange. Zum Abschied gibt er mir als Reiselektüre ein schmales, wunderschön illustriertes Büchlein persischer Poesien mit, ein erlesenes Stück aus seiner Bibliothek, Bagdader Schule, mindestens ein halbes Menschenleben alt.
Ich muss weinen, obwohl ich es nicht gewollt habe.
IM HAUS DER VALADA.
Die Prinzessin hält das hauchfeine Blatt Papier mit beiden Händen. Sie hält es von sich ab, als sei sie kurzsichtig, und liest lautlos, aber mit bewegten Lippen die Verse Kasmunas. Dann plötzlich zerknüllt sie es hastig zwischen den Fingern und wirft es zu Boden. Ihre hyazinthenfarbenen Augen nehmen den alten Mann vor ihr ins Visier, fordern, fragen.
»Warum? Warum ist sie fortgegangen ohne Abschied? Das ist . . . das ist verräterisch.« Sie presst die Lippen aufeinander.
»Erhabne Sayyida!«, entgegnet Ismael Ibn Jeschulla beschwörend. »Sie fürchtete, Ihr würdet ihr nicht erlauben, abzureisen.«
Valada nickt heftig. »Womit sie Recht hatte!«
»Vergönnt mir, dass ich ausrichte, was mir meine Tochter für Euch aufgetragen hat, und hört mich an ohne Zorn. Sie meinte zu wissen, dass ihre Person, ihre Beziehung zu Euch, einer der Gründe sein könnte für die besonders heftigen Attacken der Strenggläubigen.«
»Wie das?«, schnappt Valada. Sie bückt sich, hebt das Papier wieder auf, streicht es glatt. Schüttelt den Kopf . . .
»Niemand hier in Cordoba wird etwas unternehmen, was gegen Euch gerichtet ist«, sagt Ismael behutsam. »Hingegen kann man sein Mütchen kühlen an denen, die mit Euch in einem Atem genannt werden.«
»Ach.« Sie lacht kurz auf. »Nach dem alten Sprichwort: Man schlägt den Sack und meint den Esel?«
»Wenn Ihr es so – volkstümlich – ausdrücken wollt!«
»Ja, das will ich!«
»Lasst mich fortfahren, Herrin!«, bittet Kasmunas Vater.
Jetzt erst macht die Prinzessin eine einladende Bewegung hin zu den Polstern, die ihren Empfangsraum, den Mailis, rings umsäumen, und lässt sich ebenfalls nieder. »Sprecht!«, sagt sie leise. Sie dreht jetzt aus dem Blatt Papier mit dem kleinen Gedicht eine dünne Rolle.
»Meine Tochter hoffte, mit ihrer Abreise – um es mit einem Bild zu sagen – einen Stein des Anstoßes aus der Judería zu entfernen, denn unser nächstes Fest steht bevor.«
»Schon wieder ein Fest?«, bemerkt Valada tonlos. »Wann feiert ihr Juden eigentlich nicht?«
»Es ist kein fröhliches Fest, Sayyida!«, beeilt sich Ismael zu sagen. »Am Jom Kippur, dem Versöhnungsfest, versuchen wir, uns unserer eigenen Schuld gegenüber unseren Mitbürgern bewusst zu werden und sie um Verzeihung zu bitten, falls wir sie gekränkt haben. Es ist einer unserer höchsten Feiertage. Und ich bin sicher, dass die allzu gottesfürchtigen Muslime ihn nicht vorübergehen lassen, ohne uns zu
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