Valadas versinkende Gaerten
durchfährt mich wie ein Peitschenhieb. Was soll das für ein tollkühnes Unterfangen sein? »Was hast du . . .?«
»Keine Sorge! Es ist mit dem Wesir abgesprochen. Er selbst wollte ihn nicht freilassen, aber dann fiel ihm ein, er könne ihm ja die Flucht zu ermöglichen. Der ›Flüchtige‹ ist auf dem Weg nach Sevilla.«
Immerhin. Er ist nicht hier. Stört unsere Frauen-Gemeinsamkeit nicht. Aber . . . ich verstehe immer weniger. »Was soll er denn in Sevilla?«
»Nach einem männlichen Nachkommen meines Stammes suchen«, erklärt sie, und ein hintergründiges Lächeln spielt um ihren Mund.
Nun zweifele ich doch einen Augenblick an ihrem gesunden Verstand.
Ich verstehe nichts von Politik, das Intrigenspiel der Macht gehört für mich zur Domäne der Männer.
Aber dann beginne ich, Schlüsse zu ziehen.
»Du willst«, sage ich tastend, »einen Thronanwärter für Cordoba . . . finden?«
Sie nickt, und ihr Blick ist eine einzige Herausforderung.
»Und dann? Was soll dann geschehen? Meinst du, sie werden ihn hier mit Palmenzweigen und Gesängen empfangen, wie es in den Schriften der Christen hieß, als Isa, ihr Prophet, in Al Quds einzog?«
»Wahrscheinlich nicht«, entgegnet Valada lakonisch. »Ich denke schon, dass die Banu Jahwar nicht so ohne Weiteres aufgeben werden.«
»Also wird es einen Krieg geben!«, sage ich und starre sie entsetzt an.
Sie wendet die Augen ab. »Vielleicht«, erwidert sie leichthin. »Aber danach wird der schönste Friede herrschen, den die Welt kennt, und Cordoba wird wieder sein, was es einmal war: der Mittelpunkt von Al Andalus.«
Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. In was steigert sie sich da hinein! Diese Träume vom Glanz ihrer Sippe, von Herrschaft und Einfluss – sie beängstigen mich. Das ist die Seite an ihr, die ich nie sehen, nie wahrhaben wollte.
Vorsichtig lege ich den Arm um ihre Schulter. »Valada«, sage ich. »Verzeih deiner Kasmuna, wenn sie dir nicht folgen kann. Du setzest an, auf dem Kurs des Adlers zu fliegen. Ich aber bin nur eine schüchterne Taube. Warum willst du dich in diese kalten Höhen hinaufbewegen, wo du doch hier unter uns deinen Nistplatz hast? Du bist eine Göttin der Poesie, und in diesem deinem Reich macht dir niemand die Herrschaft streitig« (höchstens der unselige Ibn Zaydun, aber das sage ich nicht), »du regierst unumschränkt. Bleibe bei uns! Lass die anderen um die Plätze auf den Thronen streiten.«
Sie lehnt sich an mich, und ich bin schon froh darüber, dass sie nicht zornig wird aus Enttäuschung, weil ich ihre Visionen nicht teile. Aber sie bleibt ganz ruhig, und eigentlich – begreife ich – ist das viel schlimmer, als wenn sie aufbrausen würde.Sie ist ihrer Sache so sicher, dass meine Worte sie gar nicht erreichen. Mir kommt es vor, als habe ihr jemand diese Idee eingepflanzt, und nun ist sie fest verankert in ihrem Geist. Wo wohnt dieser Jemand?
»Kasmuna, meine Lotosblume«, sagt sie sanft, »außer dir wissen nur zwei Menschen um diese meine Pläne. Betrachte es als ein Zeichen meiner Liebe und schweige darüber. Die Zeit wird ihr Werk tun.«
»Zwei Menschen?«, frage ich, obwohl ich mir die Antwort allein geben kann.
Sie reibt ihren Kopf an dem meinen wie eine große Katze. »Du weißt es doch längst, nicht wahr?«, antwortet sie. »Der eine ist jener, der geflohen ist. Der andere, der es ermöglichte, dass er floh.«
»Der Dichter und der Wesir.«
»So ist es.«
»Aber wieso . . .?«
»Wieso sie bereit sind dazu, willst du wissen? Beide aus dem gleichen Grunde. Um mich zu gewinnen. Ibn Zaydun glaubt daran, dass es möglich ist für ihn, den Platz neben mir zu besetzen, und dieses Mal für immer. Ibn Abdus glaubt nicht daran, darum lässt er ihn gewähren. Zudem scheint mir, es macht ihm Vergnügen, seine Finger mit im Spiel zu haben.« Sie lacht leise und zärtlich. »Hab keine Furcht, Kasmuna, nichts geht verloren. Wenn auf diesem Scherbenhaufen erst mein neuer Palast errichtet wird, werden wir Feste der Dichtkunst und der Liebe feiern, wie sie dieses Land zuvor noch nie gesehen hat – du und ich und Muhdja, ein Dreigestirn im Zentrum unserer Welt. Hier werden Gärten entstehen, schöner als einst die auf der anderen Seite des Guadalquivir. Blühende Landschaften werden sich um Cordoba entfalten. Und die Berber samt ihrem bigotten Glauben, die schicken wir übers Meer zurück in die Wüste, aus der sie gekommen sind. Wir, die Omayaden, sind die Nachkommen des Propheten– sein Name sei in alle
Weitere Kostenlose Bücher