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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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ungeborene Werk.
    So kam es denn, dass Bücher, die in Mossul oder Basra das Licht der Welt erblickten, in Cordoba verbreitet wurden, noch bevor sie im reichen Bagdad zu erhalten waren.
    Heil und Segen solchen Herrschern, die zwar das Schwert zu führen wissen, aber den Lorbeerkranz höher achten als die Siegespalme.
    Über Meere und durch Wüsten eilten sie damals herbei, die Gelehrten aus allen Teilen der Welt, kamen an den Hof des freigebigen Herrschers, um mit ihm zu disputieren und in seiner herrlichen Bibliothek zu arbeiten, wo viele tausend Bände auf die Weisen warteten. Es kamen Muslime, Juden und Christen, und sie alle sprachen in unserer Zunge, denn die ist die gewandteste und zum Austausch von Gedanken tauglichste der Welt.
    Mit einem tiefen Seufzer nehme ich meine Lektüre wieder auf, bewegt von jenen alten Geschichten, und wieder trifft mich die Anrede, dass ich zusammenzucke:
    Das wisse, du, wenn du liest, dass aber dann die Sterne sich verdunkelten und in üble Stellungen zueinander gerieten, und die Hyäne fraß die beiden Kinder der Gazelle, und die Männer aus dem Maghreb waren im Land und warfen ihre Brandfackeln in das Bücherhaus deines Vorfahren

Allah verderbe sie!

, sodass dir, zu dem ich rede, nur noch ein Bruchteil bleibt von dem, was einst war.
    Trage Sorge, dass nicht ewiger Schlaf über das Wissen und Denken fällt!
    Preis sei Ihm, der niemals schläft.
    »Preis sei Ihm, der niemals schläft«, wiederhole ich murmelnd die Formel. Ich brenne vor Begierde, zu tun, was ich mir vorgenommen habe.

6
    KASMUNA.
    Nein, diesmal kann mich niemand zurückhalten. Denn es ist nicht nur ein Ruf der Prinzessin, der überbracht wird, sondern eine große Reisesänfte hält vor Ismael Ibn Jeschullas Haustür. Die Sänftenträger, so sehe ich von unserem Dach aus, auf das ich geeilt bin, als die fordernden Schläge an der Tür zu hören waren, diese Sänftenträger sind blonde Barbaren aus dem Norden, ihre nackten Rücken glänzen vor Schweiß, und ihr Haar ist auf dem Kopf zu Knoten geschlungen. Es sind Sklaven aus dem Haushalt der Valada bint Al Mustakfí, und die weißen Fähnchen mit dem achteckigen Stern, die an den Ecken der Sänfte flattern, sind das Wahrzeichen der Omayaden.
    Der Vorläufer tritt durch das Tor, um seine Botschaft loszuwerden.
    Mein Herz schlägt hoch vor Freude. Um mich zu ehren, lässt sie mich holen! Ich husche vom Dach zurück in mein Zimmer, lege die Perlen um meinen Hals, und meine Finger zittern so, dass ich mit dem Verschluss kämpfen muss.
    Noch während ich hastig mit der Bürste durch die Locken fahre, klopft auch schon eine Dienerin an meine Tür und bittet mich, die Sänfte nicht warten zu lassen.
    Von meiner Familie lässt sich niemand sehen.
    Ich fliege die Treppe hinunter, als würde die Luft mich tragen. Der Vorläufer der Sänfte, ein junger Mann mit dunklen Locken und strengen Augen, empfängt mich ehrfürchtig.Er küsst den Saum meines Mantels und geleitet mich nach draußen.
    Ich steige ein, in den Duft nach Moschus und Orange   – und ihre warmen Arme umschlingen mich.
    »Meine Lotosblume!«
    Valada sitzt in der Sänfte! Sie selbst holt mich!
    Mit taumelnden Sinnen, halb ohnmächtig, empfange ich ihre gehauchten Küsse auf mein Ohr, meine Wange, meinen Mund.
    »Du trägst meine Perlen, Kasmuna!«
    Im Halbdunkel der Sänfte leuchten ihre weißen Gewänder.
    »Du kommst, mich zu holen!«, flüstere ich, hingelehnt an sie.
    »Ich habe es nicht mehr ausgehalten ohne dich. Tage ohne Kasmuna sind wie Blüten ohne Duft. Ich höre, sie haben euch schwer mitgespielt . . .«
    »Vergessen!«, erwidere ich.
    Inzwischen hat sich die Sänfte in Bewegung gesetzt; ich merke erst jetzt, dass wir sanft und gleichmäßig geschaukelt werden. Offenbar haben wir die engen Gassen des Judenviertels bereits verlassen, denn jetzt gesellt sich Hufgetrappel hinzu. Ich schiebe für einen kurzen Moment den Vorhang aus schwerem Brokat beiseite. Neben uns bewegt sich die Eskorte der Prinzessin, ich sehe die typischen schuhähnlichen Steigbügel, wie sie nur die Soldaten der Omayaden benutzen. Wenn eine Eskorte benötigt wird, geht es also nicht zu ihrem Haus.
    »Wohin entführst du mich?«, frage ich
    Sie lacht mit ihrer schönsten Kunst-Stimme. »Wir wollen ins Freie. Ich will dir etwas zeigen.«
    Bei dem Ausdruck »ins Freie« denkt man in Cordoba im Allgemeinen an den Park der az-Zahra, aber dazu müssten wir die Brücke über den Guadalquivir passieren, und ich warte auf das

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