Valadas versinkende Gaerten
verflüchtigt wie Nebel, wenn die Sonne durchkommt.
Aber dann, auf halbem Wege, ist es wieder da. Plötzlich dringt von da unten, von der Stadt her, der dumpfe, rhythmische Pauken- oder Trommelschlag, wie ich ihn schon hörte, als wir den Hohlweg hierher zur Residenz aufstiegen. –
Dann lerne ich meinen Onkel Eli Ibn Mosche kennen.
Der Bruder meiner Mutter ist ein drahtiger Mann mit ungesunder Hautfarbe, wie sie Leute haben, die selten aus dem Haus kommen. Seine Stirn ist von tiefen Falten durchfurcht, sein Mund wie ein Strich zwischen den grauschwarzen Barthaaren. Als einer der Sekretäre eines großen Herrn lebt man offensichtlich unter stetem Druck.
Seine Augen allerdings wirken lebhaft und jung, und mit großer Freude nimmt er das Buch entgegen, das ich ihm mitgebracht habe.
Bei ihm endlich kann ich meiner Sorge Worte verleihen.
»Niemand will mir etwas Genaues sagen!«, beklage ichmich. »Was hat es auf sich mit diesem . . . Getrommel da unten in der Stadt? Warum ergeht sich deine Frau in Andeutungen, Granada sei im Augenblick gefährlich?«
Mein Onkel nickt bedächtig mit dem Kopf. »Der Wahrheit die Ehre, liebe Nichte«, sagt er. »Hätten wir von deiner Absicht, hierherzukommen, erfahren, bevor du abreistest – wir hätten dich gebeten, zu Haus zu bleiben. Hier braut sich etwas zusammen.«
»Erklär es mir!«, sage ich. »Wir in Cordoba haben uns nun schon fast daran gewöhnt, dass die ›Gesetzestreuen‹ in gewissen Abständen unser Viertel heimsuchen und Angst und Schrecken verbreiten. Aber hier . . .?«
Eli Ibn Mosche sieht mich nicht an. »Es gilt unserem Brotherrn, dem Wesir Ibn Nagrella«, erwidert er zögernd. »Er hat sich . . . missliebig gemacht beim Volk. Da gibt es dieses Lied, das sie gassauf, gassab singen. Es sind . . . Morddrohungen.«
»Ist er denn in Ungnade beim Emir der Stadt?«, frage ich erschrocken, »dass sich der Pöbel so etwas traut?«
»Ach!«, sagt mein Onkel wegwerfend. »Badis, unser Fürst, nimmt sich keines Dinges an. Er ist die meiste Zeit des Tages betrunken, und sein Hadjib Nagrella führt praktisch die Staatsgeschäfte. Badis lässt ihn schalten und walten und segnet zumeist alles ab. Zumeist, wie gesagt. Aber genauso wenig, wie er selbstständige Entscheidungen trifft, würde er sich schützend vor seinen Minister stellen. Jetzt schon gar nicht.«
»Aber was hat er denn getan, dass man so gegen ihn aufgebracht ist?«
»Das ist eine Verkettung unglückseliger Umstände. Es fing an mit einer Missernte. Der vorige Sommer war zu trocken. Der Brotpreis schoss in die Höhe. In solchen Fällen ist es der Brauch, dass die Preise aus der Schatzkammer des Fürsten gestützt werden und dass man die Steuern entweder senkt oder stundet.
Genau das hatte mein Dienstherr, der Wesir, dem Emir Badis vorgeschlagen. Doch unglückseligerweise war am Tag zuvor ein hoher Beamter aus dem benachbarten Badajoz zur Audienz bei unserem Emir erschienen und hatte ihn wohl in leidlich nüchternem Zustand angetroffen. Bei dieser Gelegenheit hatte er fallen lassen, dass Ibn Nagrella dem Vernehmen nach bereit sei, das Taifa-Reich Granada dem Herrscher von Almería anzutragen. Er, der Wesir, würde jenen bei einer Invasion unterstützen.
Badis tobte. Er wollte seinen Hadjib am liebsten gleich wegen Hochverrats auf das Blutleder schicken. Es gelang Ibn Nagrella zwar noch am selben Tage, die Aussage des Beamten aus Badajoz als Verleumdung darzustellen und zu entkräften, aber Badis war und blieb verstimmt. Er lässt sich nicht gern aus seiner bequemen Ruhe aufstören.«
»Dem Vernehmen nach, sagst du? Wirklich eine Verleumdung?«, frage ich vorsichtig. (Mir kommt in den Sinn, dass ja ein gewisser Ibn Zaydun eben unterwegs ist, um Cordoba einem Herrscher aus Sevilla »anzutragen«, unter gewissen Bedingungen. Die Intrige blüht und gedeiht allüberall.)
Mein Onkel breitet die Arme aus. »Der Allmächtige allein sieht ins Herz!«, entgegnet er. »Ich arbeite nun länger als ein Jahrzehnt für den Wesir und glaube ihn ein wenig zu kennen. Ich kann es mir nicht vorstellen, Kasmuna. Denn was kann einem ehrgeizigen Hadjib willkommener sein als ein Herrscher, der sich von ihm lenken und leiten lässt wie ein Kind von der Mutter? Warum sollte er da einen anderen Regenten herbeiwünschen oder gar unterstützen? Wie gesagt, ich glaube es nicht. Der Emir Badis jedoch war misstrauisch geworden durch die Ohrenbläserei des Mannes aus Badajoz und hatte schlechte Laune, und als Ibn Nagrella zu
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