Valadas versinkende Gaerten
müssen leiden
Und kau'n an einer Rinde Brot.
Die feisten Juden triumphieren
Und spotten über unser Tun.
Die Gläubigen hingegen darben
Und haben Löcher in den Schuh'n.
Bald ist es Herbst, oh Allahs Söhne,
Folgt meinem Rat, ihr oft Verlachten:
Eh man uns weiter so verhöhne:
Lasst uns den fetten Hammel schlachten!«
Ich lege das Papier aus der Hand. Meine Finger zittern.
»Nun, was sagst du?«, fragt mein Onkel überflüssigerweise.
»Was soll ich dazu sagen?«, erwidere ich. »Das Schlimmste ist, dass dies Machwerk ja nicht nur auf deinen Dienstherrn zielt. Der tödliche Pfeil zielt auf alle Juden.«
Eli Ibn Mosche nickt. Er streicht nervös durch seinen Bart.
»Badis, der Herrscher, wird ungeschoren davonkommen. Das Fehlregiment wird
uns
angelastet. Noch vor einem Menschenalterlebten hier die drei Konfessionen friedlich nebeneinander, du weißt es.«
»Jeder in Al Andalus weiß es, und ich habe angenommen, es ist noch immer so.«
Eli Ibn Mosche versucht ein kleines Lachen. »Es geht weniger um die Konfessionen, Kasmuna. Es geht um Arm und Reich. Die armen Berber gehen mit den mittellosen Christen genauso Hand in Hand wie mit dem Rest der arabischen Stadtarmut. Und die Juden gehören kaum dazu. Das führt zu diesem Riss, der durch die Bürgerschaft geht – ein gefährlicher Riss.«
»Was werdet ihr tun?«
»Was soll man denn tun?«, fragt er zurück, und in seiner Stimme klingt Niedergeschlagenheit. »Versuche, ein Lied zu verbieten! Wenn man unseren Herrn, den Nagid, wenigstens dazu bringen könnte, sich in der nächsten Zeit etwas . . . zurückzuhalten! Aber während wir alle zittern und zagen, nimmt er die ganze Angelegenheit auf die leichte Schulter. Er glaubt an keine Bedrohung.« Mein Onkel seufzt. »Zugegeben, das ist schwer für jemanden, dessen Vater bereits Wesir in diesem Reich war und sogar ein Heer in die Schlacht geführt hat. Wer sollte dem Sohn eines solchen Mannes etwas antun?«
Ich sage nichts, sehe ihn nur an, und er weicht meinen Blicken aus. Auch ohne Worte weiß er genau, was mir am Herzen liegt. Der Wesir, der Nagid, steht für uns alle hier. Wenn ihm etwas zustößt – wer kann da noch sicher sein?
»Ich hoffe, wenn es uns gelingt, über diesen Tag hinwegzukommen, können wir aufatmen.« (Ich verstehe, dass er mit »diesem Tag« unser Versöhnungsfest meint.) »Danach sind wir Juden in der Stadt nicht mehr so – auffällig, strömen nicht in solchen Massen geputzt in die Synagoge. Vielleicht wird alles wieder normal werden. Man sollte nicht so schwarzsehen. Wenn wir diesen Tag überstehen – vielleicht kann der Hadjib demnächst den Emir doch noch dazu bewegen, eineKornspende ans Volk zu verteilen. Dann sieht alles besser aus«, sagt er vage. Mir kommt es so vor, als würde er sich selbst Mut zusprechen.
Mein Onkel erhebt sich. »Es ist spät geworden, liebe Nichte. Morgen, am Tag vor Jom Kippur, werden wir alle gemeinsam hinuntersteigen nach Granada, um in unserem Bethaus die Gnade des Allmächtigen anzuflehen, seine Hand weiterhin über uns zu halten. Lass uns schlafen gehen.«
Er geleitet mich zur Tür und küsst mich auf die Stirn. Während er durch den von Laternen hell erleuchteten Patio geht, sehe ich ihm nach. Sein Schritt ist schlurfend und sein Rücken gebeugt, als sei er ein uralter Mann. –
Ich bin zur Unzeit hierhergekommen.
Nein, ich kann nicht schlafen. Immer klarer wird mir, dass es ein Fehler war, aus meiner Stadt wegzulaufen. Ob die Juden jetzt auch nur ein Mitkal mehr Schutz genießen? Und auch von meiner Geliebten nur mit einem Vers Abschied zu nehmen, war falsch. Ich sehne mich nach ihr.
Still verlasse ich die Wohnung meiner Verwandten, gehe noch einmal nach draußen in die sternenklare Luft der Gärten, atme die Abendkühle.
Ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen. Warte darauf, dass Nachtigallen ihre Stimme erheben. Stattdessen trägt mir der Wind aus dem Tal schon wieder andere Klänge entgegen. Trommeln und Pauken.
Schlafen die niemals?
10
IBN ZAYDUN.
In Sevilla herrscht Al Mutadid, einer aus dem Clan der Banu Abbad – alteingesessene Araber, keine Berber. Sie sind aufs Erobern aus. In den letzten Jahren haben sie die kleinen Königreiche, die Taifas ringsum, eingestrichen, wie man eine Handvoll Nüsse einsammelt und in die Hosentasche steckt – von Huelva bis Silves, von Ronda bis Algeciras. Ein mächtiges Reich.
Ist Valada so weit vorausschauend? Ich weiß nicht, was ihre Gründe dafür
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