Valadas versinkende Gaerten
flüstert sie an meinem Ohr. »Glaub es nicht, Muhdja. Ich glaube es auch nicht. Sollen sie alle erzählen, was sie wollen, sollen sie jammern und sich in schlimmen Vermutungen ergehen – wir beide werden weiter hoffen. Solche Dinge kann Allah nicht wollen. Nein, sie ist nicht tot. Nicht unsere Kasmuna.«
Dann lässt sie mich los, und im Raum auf und ab gehend bricht sie in wilde Klagen aus.
»Warum nur? Warum musste sie diese unsinnige Reise unternehmen? Ach, noch als sie schon unterwegs war, hätte ich ihr meine Leibwache hinterherschicken müssen und sie zurückholen, wenn nötig auch mit Gewalt! Kennst du den Vers, mit dem sie sich verabschiedet hat? Ihr Vater hat ihn mirüberbracht. ›Ich bin betrübt, dich, Liebste zu betrüben . . .‹ Ach, in welches Elend hat sie uns gestürzt mit dieser Reise! Nun können wir sitzen und warten und warten, mit Hangen und Bangen warten . . . Du glaubst doch auch, dass sie lebt, nicht wahr, mein kleines Weibchen? Du glaubst es doch auch!«
»So wie du!«, sage ich leise, denn ich spüre ja, dass sie mit dieser vagen Hoffnung nur den Abgrund ihrer Verzweiflung überbrücken will. Sie weiß wohl, dass wir sie, die schöne Jüdin, wahrscheinlich verloren haben . . . Und vor allem, sie weigert sich, es sich auszumalen, was für schreckliche Dinge ihr zugestoßen sein könnten. Gerade darum schiebt sie das Entsetzliche von sich fort.
Ich hingegen – mit eisernen Klammern hält mich die Gewissheit gepackt.
Kasmuna und ich, wir waren zu verschieden, um wirklich Freundinnen zu sein, und in den Stunden, die wir zu dritt gemeinsam dichtend oder liebend verbrachten, war nun einmal Valada der Fixstern, um den wir uns drehten. Vielleicht gab es Eifersüchteleien von meiner Seite, aber sicher nie von ihrer. Die vornehme und sanfte junge Frau war ohne Falsch.
Allah, Allerbarmer, flehe ich innerlich, gib, dass sie einen schnellen Tod sterben durfte, dass ihre Augen nicht zu viel Grausamkeit erblicken und ihr Leib kein allzu großes Martyrium erfahren musste . . .
Meine Prinzessin bricht in Betriebsamkeit aus. Sie will sich selbst auf die Reise machen, um nach der Freundin zu suchen! Zuvor allerdings schickt sie Boten zu Ibn Abdus. Was weiß er, was kann er in Erfahrung bringen? Wie – möglicherweise mit ihr gemeinsam – Hilfe beordern? Sie vielleicht bei ihrer Reise offiziell unterstützen?
Zwei Sekretäre werden in die Judería gesandt, zum Nasi, dem Vorsteher der Gemeinde. Prinzessin Valada bietet ihm ihre Hilfe und Zusammenarbeit an, die bedrängten Juden vonGranada (wie viele mag es noch geben?) auf irgendeine Weise zu retten, und vor allem will sie, dass die Juden so etwas wie eine Suchaktion nach der Tochter ihres Gemeindemitglieds Ibn Jeschulla ins Leben rufen . . .
Alles ist Chaos.
Dann meldet ein Sklave die Ankunft des erlauchten Wesirs Ibn Abdus Al Gahsiyari. Der mächtige Mann lässt es sich also tatsächlich nicht nehmen, wegen dieser Angelegenheit bei der Prinzessin persönlich vorzusprechen!
»Entlass mich, meine Schöne!«, sage ich hastig. »Ich will diesen Mann nicht sehen!«
»Aber ich will dich nicht missen jetzt in diesen Stunden!«, entgegnet sie mit wilder Entschiedenheit. »Du sollst in meiner Nähe bleiben, ich brauche dich.« Sie fasst mich am Arm.
Ich höre die tiefe, volltönende Stimme des Hadjib, die Stimme eines Menschen, der in keiner Situation Rücksicht nehmen muss auf einen anderen und auf dessen Wort man zu hören hat.
»Nein!« Ich reiße mich los. »Dieser Mann hasst mich, und ich hasse ihn. Sprich allein mit ihm, ich bitte dich! Ich bleibe in deinem Haus und komme zurück, wenn er fort ist. Und lass uns später über deine Reise reden!«
Plötzlich nickt sie, überzeugt oder auch nur abgelenkt durch die Gegenwart des Wesirs in ihrem Vorzimmer.
Und ich? Ich suche Zuflucht bei Nazik. Ob sie mich trösten kann, trösten will? Ich weiß es nicht.
Aber ein anderes Ziel kenne ich nicht.
VALADA.
»Allerschönste Prinzessin, du siehst, ich habe meine Amtsgeschäfte beiseite gelegt und bin zu dir gekommen, denn was in Granada geschehen ist, geht uns sicher beide an!«, tönt der Minister beim Hereinkommen. »Aber du zitterst ja! Zuerst gib deinen Dienern Anweisung, für dich, nein, für uns beideein beruhigendes Getränk zuzubereiten. In solcher Aufregung kann man nicht miteinander reden.«
»Ich bin aufgeregt, und ich will aufgeregt bleiben!«, sage ich, wütend über den selbstherrlichen Auftritt dieses Mannes. Ich habe ihn
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