Valadas versinkende Gaerten
nicht eingeladen!
Er setzt sich, ohne dass ich ihn gebeten hätte. »Es ist nötig, über die Dinge der Politik zu reden, denke ich.«
»Was für Politik?« Ich schüttele den Kopf, merke, dass mein aufgelöstes Haar um meine Wangen fliegt. »Es geht mir in diesem Augenblick einzig und allein darum, nach meiner Freundin, der Dichterin Kasmuna, zu suchen, mit allen Mitteln! Und ich werde folglich nach Granada reisen! Du kannst mir gern Wachen zum Schutz mitgeben. Ich will nichts hören von Politik!«
Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Du musst dir anhören, was ich zu sagen habe; denn alles, was du tust, ist Politik. Ich weiß, wovon ich spreche«, erklärt er. »Das ist nun einmal mein Beruf.«
Eine Dienerin bringt unaufgefordert zwei Becher mit Aprikosensaft; vielleicht hat Muhdja es angeordnet. Man steht schlecht herum mit einem Getränk in der Hand; ich setze mich neben ihn.
»Erhabene Sayyida!«, sagt der Wesir und dreht seinen Becher zwischen den Fingern. »Ich bin hierhergeeilt, weil ich mir denken konnte, was du planst. Aber du solltest doch wissen, dass du keine beliebige Dame bist, sondern, wie es so schön heißt, eine Person, an deren Tun die Öffentlichkeit interessiert ist. Wenn du jetzt nach Granada reist, so wird man nicht nur dort, sondern in allen umliegenden Taifas spekulieren, was wirklich hinter diesem Besuch steckt. Niemand wird glauben, dass du persönlich nach einer vermissten Jüdin suchen willst! Das ist absurd.« (Sein Ton kommt mir überheblich und herablassend vor.) »Dein Auftauchen dort könnte missverstanden, von einigen mit bestimmten Ansprüchen verbundenwerden, die du gerade im benachbarten Sevilla anzumelden versuchst – bislang ja wohl ohne nennenswerten Erfolg. Aber zumindest
dort
dürfte man ja Bescheid wissen über deine . . . Absichten. Wenn ich zulassen würde, dass du diese Fahrt unternimmst, würde man annehmen, dass wir Komplizen sind. Ich darf aber meine Treue zu Abd Al Malik nicht in Zweifel ziehen lassen. Jetzt noch nicht.« (Das kommt beiläufig.) »Die Lage ist instabil. Und somit wirst du nirgendwohin reisen, Prinzessin.«
»Wie sprichst du mit mir?«, sage ich, leise vor Wut, und der Becher mit dem Aprikosensaft schwappt über und auf mein weißes Gewand; am liebsten würde ich ihm das Getränk ins Gesicht schütten. Er gibt mir Befehle!
»Ich spreche mit dir als Staatsmann und Freund, schöne Valada«, entgegnet er, und sichtlich genießt er es, dass ich so erregt bin und er so gelassen.
Indessen redet er bereits weiter: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sevilla höchstes Interesse an den Vorgängen von Granada hat. Ich kann Taubenpost schicken und jenem . . . Gewährsmann dort in deinem Auftrag befehlen, sich umzuhören nach der Vermissten. Er gehorcht sicher gern. Vielleicht ist er ja schon vor Ort, gemeinsam mit seinem königlichen Freund.«
Ibn Zaydun »vor Ort« . . . Ibn Zaydun in Granada . . . seine Suche . . . Und plötzlich, in all der Verwirrung, in all dem Kummer, höre ich eine andere Stimme in mir:
. . . aber siehe, wenn viel Blut fl ießt, dort, wo der Fluss Gold führt. Dann ist die Zeit bald um. Beeile dich, dass es dir nicht missglückt!
Es fährt durch mich hindurch wie ein Peitschenhieb. Die Prophezeiung!
Der Darro, der Fluss, der Gold führt . . . wenn viel Blut fließt . . . die Zeit bald um.
Wie hängt das alles zusammen? Haben die Schrecknisse von Granada etwas mit meinen Plänen zu tun?
Ich merke, dass ich aufgesprungen bin und im Raum umherlaufe, die Hände an den Schläfen: Der aufmerksame Blick des Mannes verfolgt mich. Seine wachen Augen versuchen, meine plötzliche Erregung zu ergründen. Ich müsste mich sammeln, ordnen, was sich da auf einmal übereinandertürmt wie zwei gleichermaßen drohende Wolkenberge: die Angst um die Geliebte . . . und die Erfüllung dieses dunklen Wortes aus dem Buch:
Dann ist die Zeit bald um!
Ich darf mir vor dem Wesir keine Blöße geben. Muss mich zusammennehmen.
Mühsam beherrscht, setze ich mich wieder, greife zu diesem Aprikosensaft, um meine dürre Kehle anzufeuchten, und kann nicht verhindern, dass meine Zähne am Rand des Bechers klappern.
»Ich nehme deinen Vorschlag an!«, sage ich. »Und ich will, dass mein – wie sagst du? – Gewährsmann mir mit der Taubenpost Nachricht gibt von den Fortschritten, die seine Mission macht. Ich habe meine Gründe dafür. Teil ihm das so mit.«
Er sieht mich weiterhin forschend an. Dann erwidert er: »Ich stelle mich und
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