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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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meine Möglichkeiten gern in deinen Dienst, Herrin. Vertrau mir, ich werde für dich tätig sein. Und lass mich meine Bewunderung zum Ausdruck bringen, wie du es verstehst, die Dinge des Herzens mit denen der, nun ja, diplomatischen Berechnung unter einem Schirm zu vereinen.«
    Er steht auf, beugt sich zu mir herunter, fürsorglich, als sei er ein Vater, der sich um sein Kind bemüht, und zieht meine Hände an sich, obwohl ich widerstrebe. Seine Worte klingen sanft, aber seine Lippen sind schmal und die Augen hart.
    Als er gegangen ist, sitze ich da wie gelähmt. Ich komme mir vor wie jemand, dem gerade klar geworden ist, dass er sich in einem Labyrinth verstrickt hat und sich nun nicht traut, weder Hand noch Fuß zu regen, aus Angst, sich weiter zu verlaufen.
    Bin ich töricht und abergläubisch? Habe ich diese Prophezeiungen nur für wahr gehalten, weil sie meinen Wünschenentsprachen, als seien sie ihnen entsprungen? Habe ich mich einfach nur verrannt in meinem Verlangen, meinem Stamm wieder die ihm gebührende Stellung zu verschaffen? Jetzt, wo der Sinn dieser dunklen Worte auf einmal auf grausige Art deutlich zu werden scheint, bin ich geneigt, sie über Bord zu werfen, mitsamt dem ganzen schönen Buch über die »Wundersamen Taten«. Denn nirgendwo stand dort geschrieben, dass ich dafür Opfer bringen müsse . . .
    Aber bis jetzt, versuche ich mich zu beruhigen, bis jetzt ist ja noch nicht sicher, ob Opfer zu beklagen sind. Es gibt nur Ängste.
    Ich rufe nach Muhdja, aber sie ist nicht in der Nähe. Voller Ungeduld lasse ich die Dienerinnen nach ihr suchen.
    Schließlich kommt sie, erhitzt, aufgeregt auch sie.
    »Ich sehe, du leidest mit mir«, sage ich mit einem kläglichen Lächeln und dem Versuch, zu scherzen. Zu meiner Überraschung bricht sie in Tränen aus.
    »Mein kleines Weibchen!«, sage ich, gerührt, dass ihr Kasmunas Schicksal so nahegeht. »Bleib bei mir. Der Wesir hat mich überzeugt, dass es besser ist, wenn wir nicht nach Granada reisen. So lass uns hier gemeinsam abwarten, was für Nachrichten kommen. Ich bin froh, dass du bei mir bist. Halte mich fest. Streichele mich.«
    Sie küsst mir die Hände, aber genau wie ich ist sie nicht zu Zärtlichkeiten aufgelegt nach diesen Botschaften.
    Ich liege neben ihr, schlafe irgendwann ein, ermattet von der Angst und Aufregung. Noch im Halbschlaf höre ich, dass sie wieder schluchzt.
    NAZIK.
    Soeben ist sie von mir gegangen, die Frau mit dem braunen Mal seitlich über der Lippe.
    Sie war anders als sonst. Hielt sich an mir fest, als sei ich ein Baum und könne sie stützen.
    Aber das will und kann ich nicht. Ich bin für niemanden eine Zuflucht.
    Immerhin: Ich habe Worte gesagt. Worte in der Sprache, die ich nie benutzen wollte. Ich wollte stumm sein. Ihre Sprache ist die Sprache der Mörder. Sie sollte nicht in meinen Mund kommen.
    Sie haben das Dorf niedergebrannt. Sie haben die Alten einfach zurück in die Flammen getrieben. Die konnten sie nicht gebrauchen. Sie haben die Krieger geschlachtet.
    Sie haben uns ein großes Holz um den Hals gelegt. Auch unsere Hände waren an dem Holz festgemacht. Wir hingen an einer Kette. Wir waren nackt. Wir zogen durch die Wüste. Sie schlugen uns mit der Peitsche. Es gab nur wenig Wasser.
    Ausruhen durften wir nur, wenn diese Mörder ihre Teppiche in den Sand legten, um sich darauf zu knien, und, das Gesicht zum Aufgang der Sonne, den Kopf zu Boden neigten und ihre Gebete heulten.
    Mein Bruder ist als Erster gestorben. Er war noch klein. Dann meine Mutter. Dann meine Schwestern, eine nach der anderen. Sie haben sie losgemacht und im Sand unter der Sonne liegen lassen, für die Löwen und die Schakale. Auch die, die nicht mehr weiterkonnten.
    Wir kamen an das Ufer des Meeres. Wir waren nicht mehr sehr viele. Da gab es ein Haus aus Stein, in das man uns brachte. Wir mussten dort warten. Mit der Zeit kamen noch mehr von meinem Volk oder von anderen Stämmen. Bis es genug Menschen waren, um den Bauch eines Schiffes zu füllen.
    Ich wusste nicht, dass so viele Menschen in ein Schiff passen. Aber wenn man sie eng nebeneinander unter Deck ausstreckt und mit Ketten am Hals fesselt, geht das schon. Wieder sterben viele. Sie werden ins Wasser geworfen.
    Als wir dann an Land gebracht wurden, mussten einige von uns getragen werden.
    Ich aber lasse mich nicht tragen. Ich krieche auf allen vieren, damit sie mich nicht anfassen.
    Sie geben uns zu essen und waschen uns. Sie bringen uns Worte in ihrer Sprache bei, damit wir ihre

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