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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Befehle verstehen. Ich verstehe die Befehle und verstehe die Sprache. Aber ich sage nichts. Sie schlagen mich, aber ich sage nichts. Doch Befehlen muss ich gehorchen, wenn sie mich nicht totschlagen sollen.
    Dann stellen sie mich auf ein Gerüst auf einem Markt und preisen mich an. Sie tun Dinge mit mir, weißen meine Zähne mit Schlemmkreide, versuchen, mein Haar mit Öl zu glätten, und malen mich an, damit man etwas für mich gibt, das sie »Geld« nennen.
    Andere führen mich weg. Sie führen mich über Land in dieses Haus und sagen mir, was ich zu machen habe.
    Ich tue hier, was man mir befiehlt, und lasse mit mir geschehen, was immer sie wollen.
    Mir ist alles gleich. Wo früher meine Seele gewohnt hat, da ist eine leere Stelle. Ich gehe umher und bin nur ein Körper. Ein Körper ohne Seele.
    Sie nennen mich Nazik. Damit bin ich zufrieden, denn eher würde ich sterben, als ihnen meinen wahren Namen sagen. Den Namen, mit dem man mich zu Haus gerufen hat.
    Nun aber habe ich angefangen, ihre Worte zu benutzen. Einige Worte.
    Ja. Nein. Vielleicht.
    Nicht viel mehr.
    Es war wegen dieser jungen Frau mit dem braunen Mal an der Seite über ihrem Mund. So ein Mal ist, wie wenn es der Finger eines guten Geistes getupft hat. Sie berührt mich, anders, als ich bisher berührt wurde. Sie fügt mir keinen Schmerz zu.
    Aber sie gräbt nach meiner Seele. Die gehört mir allein. Die geht sie nichts an.
    Ich weiß nicht, was mir geschieht. Ich habe immer in der Sprache gedacht, die in meinem Dorf gesprochen wurde. Hineingeboren in sie. Aber jetzt ertappe ich mich dabei, dass ich auf Arabisch denke.
    Vielleicht muss ich mich dafür hassen.
    Ich weiß es nicht. Sie war so ohne Hoffnung heute Abend . . .
    VALADA.
    Ich fahre auf aus unruhigem Schlaf, und mir ist, als habe jemand zu mir gesprochen. Laut und deutlich. Die Worte stehen noch im Raum.
    Beeile dich, dass es dir nicht missglückt . . .
    Da ist niemand, der redet. Neben mir liegt Muhdja, bäuchlings, den Kopf im Nest ihrer Arme vergraben, weit weg.
    Du bist gemeint, für dich sind diese Zeilen . . .
    Kerzengerade sitze ich auf meinem Lager.
    Wie konnte ich mich auch nur einen Augenblick darauf verlassen, dass der Wesir, der mich zwar von einer Reise nach Granada abhält, sich mit allem Eifer darauf stürzt, seine Tauben in meinen Dienst zu stellen!
Er
hat Zeit. Ich nicht. (Was er nicht weiß.)
    Aber es hat doch nirgendwo in meinem prophetischen Buch gestanden, alles sei vorbei . . .
    Die Sorge um Kasmuna hat mir den Kopf verrückt. Nur von Eile ist die Rede. Nicht davon, dass es unmöglich geworden ist.
    Auf bloßen Füßen gehe ich hinüber an mein Schreibpult. Es ist die Stunde zwischen Nacht und Morgen, die Welt ist noch ohne Farbe, aber das fahle Licht reicht meinen Augen aus.
    Ich greife nach einem Papyrusstück, tauche das Schreibrohr ein. In mir tobt ein morgendlicher Aufruhr. Drängende Ungeduld   – und Zorn.
    »Spielst du mit meiner Zeit?«, schreibe ich. »Muss ich dir,gleich einem lahmen Gaul, die Peitsche über die Kruppe ziehen, damit du vorankommst? Ich weiß, er lebt! Finde ihn, bringe ihn! Sonst, bei Allahs Gerechtigkeit, werde ich
dich
zu finden wissen und dir etwas zukommen lassen, was dir nicht gefallen wird!«
    Das Rohr knirscht unter dem Druck meiner wütenden Hand, während ich eine Drohung niederschreibe, von der ich nicht weiß, auf welche Weise ich sie verwirklichen könnte, und übersät das Pergament mit einem Meteoritenregen von Tintenspritzern. Mir gleich.
    Ich streue Sand darüber, schüttele ihn ab, rolle den Brief auf und siegele ihn mit meinem achteckigen Stern.
    Dann adressiere ich: Ahmad Ibn Zaydun.
    Mit den Fingern berühre ich die Metallschale, deren Klang jemanden von der Dienerschaft herbeiruft. Eine verschlafene Sklavin erscheint, schließt im Kommen erst die Bänder ihres Gewands, während ich den Brief in eine jener Lederkapseln stecke, die man an den Satteltaschen von Kurieren festmacht.
    »Wecke einen meiner Wachen«, befehle ich. »Er soll auf dem schnellsten Pferd nach Sevilla reiten, Ibn Zaydun finden und ihm dies hier aushändigen.«
    Das Mädchen verschwindet.
    Nun, da ich dies getan habe, fühle ich mich ruhiger, irgendwie befreit. Ich habe getan, was mir möglich ist.
    Der Ton der metallenen Schale hat Muhdja aufgeweckt. Sie steht zwischen den Vorhängen, die diesen Raum von unserem Schlafgemach abgrenzen, sieht mich fragend und beinah ängstlich an.
    »Ist . . . etwas geschehen?«
    »Gar nichts«, sage ich und kann

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