Valadas versinkende Gaerten
Kronprinz Granada nicht nur eine Besatzungsmacht nebst Tributzahlung aufs Auge gedrückt, sondern sich damit auch noch der überströmenden Dankbarkeit seines Herrschers versichert, dem man einmal wieder alle Entscheidungen abgenommen hat. Ich staune und wünschte mir, das ginge in Cordoba genauso einfach vonstatten. Aber ein Ibn Abdus wäre da sicher (wenn es denn nötig werden sollte) ein anderer Verhandlungspartner, und auch der dortige Emir wird sich nicht auf solche einfache Weise übertölpeln lassen.
Nachdem nun der politische Teil derart problemlos über die Bühne gegangen ist, lädt uns der Emir zu einem festlichen Essen im Stil der höfischen Kultur ein, wie sie auch Valada zelebriert, wie es inzwischen in allen Taifa-Königreichen zur feinen Lebensart gehört: Fleischbrühe, Fisch, Wild und zum Abschluss Obst, Nougatkonfekt und Mandeln, und eine Sängerin gibt zur Laute ihre Kunst zum Besten. Man ist ohne längeres Zögern zur Tagesordnung übergegangen.
Außer mir scheint niemand Anstoß zu nehmen an dem merkwürdigen Geruch, der selbst hier im Alcazar durch alle Ritzen zu dringen scheint.
Ich trinke viel. Mir ist nicht wohl beim Besuch in dieserStadt, die sich selbst amputiert hat und deren unfähiger Fürst damit umgeht, als hätte es ein Erdbeben gegeben oder eine Epidemie, gegen die man machtlos ist – dabei sind es seine Bürger, die ihre Mitmenschen massakriert haben –, und mir ist nicht wohl in der Gesellschaft dieser Männer, die offenbar so schnell vergessen haben, dass der geheime Herrscher Granadas vor ein paar Tagen barbarisch hingeschlachtet wurde. Ja, vielleicht empfinden sie sogar insgeheim Erleichterung, dass es ihn nicht mehr gibt?
So nehme ich Urlaub von meinem Prinzen, entschuldige mich bei dem Emir und begebe mich, nur zwei Lanzenreiter als Geleitschutz, zur zerstörten Residenz Ibn Nagrellas, um die mir aufgetragenen Nachforschungen nach der Poetin vorzunehmen. Ein mit starken Essenzen getränktes Tuch vor dem Mund ergänzt Kopf- und Halsbinde.
Unterwegs erkundige ich mich, wie man auf den Berg gelangt, ohne das jüdische Viertel passieren zu müssen, und die wenigen, die unterwegs sind, geben mir scheu und widerwillig Auskunft, beäugen mich mit misstrauischen Blicken. Was will er wohl da oben, scheinen diese Blicke zu fragen.
Ich reite zuerst am Steilufer des Flusses Darro entlang, überquere ihn auf einer hölzernen Brücke und treibe mein Pferd dann den Hohlweg empor nach oben. Ob Kasmuna mit ihrem Gefolge wohl auch diesen Weg genommen hat bei ihrer Anreise hier?
Unsere Begegnung auf der Straße in der Nähe des Guadalquivir fällt mir ein; die Ohnmächtige in der Sänfte, ihre nackten Füße zunächst. Meine Überraschung, als ich den Vorhang zurückschlug und sie erkannte. Die malvenfarbenen Augenlider, die sich langsam hoben und mir die riesigen Augen enthüllten. Unser Gespräch. Mein Diebstahl der Perlen.
Und nun? Sie dürfte mit Sicherheit nicht überlebt haben – und das sollte mich eigentlich mit Genugtuung erfüllen.
Andererseits, sie war eine faire Rivalin. Wir haben nie einHehl daraus gemacht, dass wir nicht die besten Freunde waren, aber sie hätte nie gegen mich »angedichtet«, wie es die temperamentvolle Feigenhändlerin getan hat; Kasmunas Welt waren nicht die Spottverse, sie schrieb feine Poesien, denen ich meine Anerkennung nicht versagen konnte.
Eine kommt mir in den Sinn, jetzt und hier, auf dieser holprigen Straße und auf dem Weg ins Chaos:
»Gazelle, weidest du in meinem Garten? / Voll Trauer scheinen deine großen Augen.«
Wie ging es weiter? Ich habe es vergessen. Irgendetwas mit dem Schicksal . . .
Vielleicht wäre es besser, sie wäre am Leben. Valada, skrupellos und liebestoll, wird sich eine andere Tribade von irgendwoher holen, und die wird mir vielleicht mehr im Wege stehen, als diese es je getan hat.
Der Weg wird steiler. Ich begegne den ersten Anzeichen der Verwüstung: Verbrannte Sträucher, rußschwarz hängen die Blätter wie zerfledderte Spitzenvorhänge, schlecht abgehackte Baumstümpfe, die Zweige verdorren in der Sonne, ausgerissene Blumen, die Erde glotzt nackt und hilflos den Himmel an.
Es riecht nach kaltem Rauch, aber dieser Geruch wird bald überdeckt vom allgegenwärtigen Gestank der Verwesung. Mein stark duftendes Tuch vor Mund und Nase richtet nichts aus dagegen. Wieder muss ich vom Pferd und gebe das von mir, was ich mir aus purer Höflichkeit bei Fürst Badis einverleibt habe. Dann arbeite ich mich
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