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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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den anderen erblickt, die sich gleich ihm freiwillig dieser bitteren Aufgabe stellen und die gleichfalls grünlich bleich aussehen. Außerdem hat er, genau wie die Abgesandten beim Emir vor Stunden, Haar und Gesicht mit Asche beschmiert und den Saum seines Kaftans zerrissen als Zeichen der Trauer.
    Übrigens gesteht er mir, dass er sich vor mir genauso entsetzt habe wie ich vor ihm. Allerdings hat er mich für einen Plünderer gehalten.
    Beinah muss ich lachen.
    »Ehrenwerter, was gibt es hier wohl noch zu plündern? Alles, was von Wert war, ist entweder zerschlagen oder weggeschleppt. Ganze Arbeit.«
    Er sieht mich fragend an. »Mit Verlaub, Herr, was sucht Ihr hier. Ihr seid kein Jude.«
    »Ich wollte«, sage ich, »in Augenschein nehmen, was der Mensch dem Menschen antun kann.«
    Er schüttelt den Kopf. »Was hier geschehen ist, das ist so alt wie die Welt. Warum kommt Ihr, so etwas anzuschauen? Der Herr ist Der Herr. Er ist der Ewige. Er tut mit seinen Geschöpfen nach seinem Willen.«
    »Ich kann hier weniger die Hand des Herrn erkennen als den Wahnsinn einer gestörten Menge«, erwidere ich.
    Inzwischen sind noch andere aus dem Inneren eines der Häuser gekommen, mich zu betrachten.
    Hinter ihnen sehe ich die Umrisse von Körpern auf dem Boden, zugedeckt mit Leintüchern.
    »Was tut Ihr hier?«, wiederholt ein anderer die Frage. Es ist offensichtlich, dass ich störe   – ein reich gekleideter Araber,noch dazu in Waffen. Sie wissen nichts mit mir anzufangen. Es ist besser, wenn ich vernünftige Auskunft einzuholen versuche.
    »Ich komme ursprünglich aus Cordoba«, sage ich also, »und auf meiner Reise hatte ich erfahren, dass eine junge Frau eures Volkes sich nach Granada aufmachte, Verwandte zu besuchen, die in Diensten des ermordeten Wesirs standen. Wisst ihr etwas über ihren Verbleib?«
    Die Männer sehen sich an, unterhalten sich leise. Dann sagt Simeon, der Chasan: »Eli Ibn Mosche   – das Angedenken des Gerechten sei gesegnet   –, in dessen irdischer Wohnstätte Ihr gerade steht, Herr, hatte Verwandtschaft in Cordoba.«
    Der Zufall hat mich direkt in das richtige Haus geführt.
    »Kann ich den Herrn wohl irgendwo finden?«, sage ich zaghaft.
    Einer der Männer weist mit der Hand hinter sich, zu den verhüllten Körpern. Es ist eine große und, wie mir scheint, anklagende Geste. Für diesen Moment stehe ich da als Vertreter aller Muslime, und die Männer dieses Volkes sind unsere Dhimmis, unsere Schutzbefohlenen, aber wir haben ihnen keinen Schutz gewähren können . . .
    »Dort liegt Eli Ibn Mosche, seine Frau und seine beiden Töchter. Weiter dort hinten das Hausgesinde. Von einem Gast aus Cordoba wissen wir nichts. Und nun, Herr, lasst uns weiter unser trauriges Werk tun. Wir werden noch viele Tage dazu brauchen. Der Segen des Ewigen sei mit Euch.«
    »Allah beschütze euch«, erwidere ich.
    Kasmuna also ist nicht unter diesen Toten.
    Unter den Toten dieses Hauses.
    Aber der ganze Berg ist übersät mit Judenleichen. Wer weiß, wo sie sich aufgehalten hat . . .
    Ich für mein Teil habe eine Pflicht erfüllt, und es war abscheulich.

18
    IBN ABDUS.
    Zur heutigen Audienz ist vor mir der Wakil, der Vertreter aller ausländischen Kaufleute in Cordoba, erschienen, ein Mann von Einfluss, namens Ibn Al Hatimi. Er unterhält die größte Warenbörse vor Ort; alle Fernhändler sind angehalten, ihre Erzeugnisse nur bei ihm auszustellen und anzubieten. Dieses Monopol ist für jede Regierung von Vorteil, denn die Erhebung der Einfuhrzölle und die auf die Waren zu leistenden Steuern bleiben in einer Hand, und den unweigerlich fließen den Schmiergeldern ist eine vernünftige Grenze gesetzt, da sie nur an eine Person zu entrichten sind. Von meiner Provision einmal ganz abgesehen.
    Ibn Al Hatimi ist ein dünner, lang aufgeschossener Mensch mit hohlen Wangen und tiefliegenden Augen. Man könnte annehmen, er sei ein Asket, aber weit gefehlt, er neigt sogar zu Völlerei und unmäßigem Genuss von betäubendem Bendsch. Die Natur ist nicht immer gewillt, Aussehen und Wesen einander anzugleichen. Heute kommt er zu mir, um Klage zu führen.
    »Erlauchter Hadjib!«, beginnt er und greift dabei bereits nach dem Nougatkonfekt, das ich immer für besondere Besucher bereitstehen habe (allerdings sind die wenigsten aufgelegt, sich in meiner Gegenwart mit Süßigkeiten vollzustopfen, schließlich geht es immer um ernste Dinge). » Erlauchter Hadjib, innerhalb der Kaufmannschaft dieser Stadt gibt es Vorfälle von

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