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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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vorn, wie ein Hemd, das zu kurz ist. Ich zerbreche mir den Kopf, womit wir dieses   – hm   – Kleidungsstück verlängern lassen könnten, aber ich muss gestehen, ich finde kein noch so winziges Stückchen Stoff, das wir zu uns herüberziehen könnten, ohne den Leib der Leute von Cordoba gänzlich zu entblößen.«
    Ich muss lachen über die blumige Ausdrucksweise eines Menschen, der eigentlich nur Zahlen im Kopf hat.
    »Es stimmt, die Lage ist angespannt, Katib az-Zimam«, erwidere ich, »und wir wissen, dass ein allzu straff gespannter Bogen zerspringen kann.« (Auch ich bewege mich bei diesem trockenen Thema im Bereich der Bilder und Metaphern.) »Andererseits: Wir sind die Diener unseres Herrn, des Emirs   – Allah gebe ihm ein langes Leben!   –, und sein Wunsch ist uns Befehl.«
    Ibn Nusair nickt. »Wenn ich nur wüsste, woher ich's nehmen soll«, sagt er seufzend und spielt, wie es seine Art ist, mit den Ringen an seinen Fingern. (Schönheit macht eitel.) »Eigentlich ist alles, was man mit Steuern belegen kann, ausgeschöpft.«
    »Strengt Euren Kopf an, Katib az-Zimam«, muntere ich ihn auf. Und mache Vorschläge: »Es muss etwas sein, was jedermann täglich braucht und worauf man nicht verzichten kann. Dann haben wir die Gewissheit, dass genug zusammenkommt. Und es darf kein Luxusgut sein. Die Luxusgüter sind schon genug mit Steuern belastet   – und wir wollen schließlich nicht jene verärgern, die, wie man so schön sagt, die Stützen des Landes und das Salz unserer Regentschaft sind.«
    Mein Gegenüber blinzelt.
    »Salz!«, sagt er. »Das ist es. Ihr seid ein Genie, großer Hadjib. Wir besteuern das Salz.«
    »Auf Salz liegen schon Einfuhrzölle«, sage ich, beeindruckt von der skrupellosen Fantasie dieses Mannes.
    »Die rühren wir nicht an!«, entgegnet er lebhaft. »Im Gegenteil. Die senken wir eher. Wir brauchen eine große Spanne vom Ankauf zum Verkauf. Ich lasse eine Salzsteuer ausschreiben.«
    »Damit werdet Ihr Euch nicht gerade Freunde machen!«, sage ich, und er: »In meinem Beruf macht man sich allgemein keine Freunde.«
    Ich erhebe mich, zum Zeichen, dass das Gespräch beendet ist, und Ibn Nusair verabschiedet sich, die Hände über der Brust gekreuzt, und eilt beschwingt davon, seine infame Idee in die Tat umzusetzen.
    Salz.
    Ich überlege. Viel Zorn wird es geben. Aufruhr wohl nicht. Aufruhr, das wäre, wenn er beispielsweise das Öl mit neuen Steuern belegt hätte. Das wäre an die Substanz gegangen. Ohne Öl kann man nicht leben. Ohne Salz   – oder mit weniger Salz   – schon. Es ist der Luxus der kleinen Leute, und also nicht nötig.
    Aber diese Steuer ist wirklich   – fies.
    Und alles in allem wird sie nicht gerade dazu beitragen, dass dieses Regiment an Beliebtheit gewinnt.
    Nun, da habe ich ganz und gar nichts dagegen. Und diese Steuer schreibt schließlich Ibn Nusair aus.
    Wenn es Ärger geben sollte   – an mich traut man sich nicht heran.
    Am Bogenfenster meiner Residenz werfe ich einen Blick auf das Gassengewirr Cordobas, soweit ich es von hier aus erblicken kann.
    In der nächsten Zeit werden bei den armen Leuten da draußen wohl ziemlich fade Mahlzeiten auf den Tisch kommen.

17
    IBN ZAYDUN.
    Vielleicht sollte man diesen Einzug in Granada eher einen Einmarsch nennen, denn der Umfang der Truppen, mit dem Al Mutadid seinen »Staatsbesuch« dekoriert, ist beträchtlich. Allerdings, und das ist die diplomatische Finesse, kommt er nicht persönlich, sondern schickt den Kronprinzen an seiner Stelle. Das gibt der Angelegenheit einen nicht ganz so offiziel len Anstrich   – man schickt den Stellvertreter, der Herr lässt noch auf sich warten.
    Dass ich beim Einzug in Granada dabei bin, hat zumindest zwei Gründe.
    Zum einen: Al Mutamid will mich offenbar nicht nur als Dichterkumpan an seiner Seite sehen, sondern erhofft sich in mir einen Berater   – was ein gutes Zeichen hin nach Cordoba bedeutet: Je besser meine Position am Hof von Sevilla ist, desto mehr gewinne ich an einer Augenhöhe, auf der ich Valada in Zukunft gegenübertreten kann. (Übrigens habe ich gehört, dass ein Lied der Auslöser für diese Geschehnisse hier gewesen sein soll. Ein Lied! Die Macht der Poesie von ihrer negativen Seite. Sehr interessant.)
    Der zweite Grund kam als Anfrage aus Cordoba hinzu. Der Hadjib, der sich offenbar mit allen Mitteln bei der Prinzessin lieb Kind machen will, lässt über das Emirat von Sevilla indirekt bei mir anfragen, ob ich wohl einige Nachforschungen

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