Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
worden. Diese Mauer ist ein Angriff auf alles, woran Tina aus tiefster Seele glaubt: die Freiheit, man selbst zu sein. Sie kann es kaum erwarten, morgen die andere Seite kennenzulernen und sich mit Lotties Cousine zu unterhalten. Das Konzert ist ihr nicht so wichtig, obwohl es sicher auch nett ist, ein bisschen Musik zu hören.
Abgesehen von der Aufregung, die Grenze nach Osten zu übertreten, hat sie irgendwie das Gefühl, dass morgen etwas Bedeutendes geschehen wird. Ihre Haut prickelt, ihr Hals ist trocken und ihre Augen brennen. Genauso reagiert ihr Körper, wenn ein Sturm droht.
Valentina
Valentina befindet sich in einem Schwarm gelber Taxis, die von Newark nach New York City sausen. Vor ihr taucht die Insel von Manhattan auf. Von Weitem sieht sie aus wie die Landschaft in einer dieser Schneekugeln aus Plastik – der perfekte Mikrokosmos einer Stadt mit einer gezackten Skyline. Sie bemerkt einen neuen Wolkenkratzer, in dessen Seiten glänzende silberne Winkel geschnitten sind.
»Was ist das für ein Gebäude?«, fragt sie den Taxifahrer.
»Das ist das One World Trade Center. Es ersetzt das World Trade Center«, erklärt er. »Es ist das höchste Gebäude in New York City, aber es wird erst nächstes Jahr eröffnet.«
Jetzt haben sie Manhattan erreicht. Der Taxifahrer drosselt die Geschwindigkeit und schlängelt sich durch den frühabendlichen Verkehr. Valentina blickt auf den zerknitterten Zettel mit Marcos Adresse auf ihrem Schoß, vielmehr ist es die Adresse seines Geliebten, Jake. 448 East 20th Street. Laut ihrem Reiseführer ist das Midtown East Side. Valentina ist überrascht, wie alt Manhattan aussieht, wenn man erst die eigentliche Insel erreicht hat. Auf ihrem Weg liegen nicht viele moderne Gebäude, sondern überwiegend alte Backsteinhäuser, deren schwarze Feuertreppen auf breite Straßen hinausführen. Es sieht aus wie die Kulisse eines Films, der in den Zwanzigern spielt. Es ist auch ruhiger, als Valentina sich vorgestellt hat, sie hat Menschenmassen erwartet. Warum hatte sie sich New York immer so hochtechnisiert und hektisch vorgestellt? Aber schließlich ist es die Stadt, in der die ersten Wolkenkratzer in den Zwanziger- und Dreißigerjahren aus dem Boden geschossen waren, der Zeit ihres Vorbilds, ihrer Urgroßmutter Belle. Obwohl sie hier nicht in Downtown ist, blinkt und leuchtet der Times Square nicht weniger als der Piccadilly Circus in London. Das Taxi biegt von der 1 st Avenue ab und fährt eine geschwungene Straße entlang, die durch ein riesiges Gebiet mit großen Wohntürmen führt. Nie hätte sie erwartet, dass Marco in so einer Gegend wohnt.
»Da bist du ja, Schätzchen!« Marco schließt sie fest in seine Arme. Valentina atmet den vertrauten Geruch ihres Freundes ein, und ihr wird bewusst, wie sehr sie ihn das letzte Jahr vermisst hat.
»Ja, da bin ich.« Valentina löst sich aus seiner Umarmung und zieht ihren riesigen Koffer über die Schwelle.
»Jake ist noch nicht zu Hause, aber er lässt dich grüßen und heißt dich herzlich willkommen in unserer Wohnung.«
»Ich hätte nie gedacht, dass du hier wohnst«, gibt Valentina zu.
»Ich weiß «, Marco rollt mit den Augen, »aber Schätzchen, es ist umsonst! Jakes Großmutter hat hier gewohnt und – Gott habe sie selig – als sie letztes Jahr gestorben ist, hat sie ihm die Wohnung hinterlassen.«
»Das erklärt alles.« Valentina stupst ihn freundschaftlich an. »Du warst schon immer ein kleiner Schmarotzer.«
Marco setzt eine gespielt beleidigte Miene auf.
»Wie kannst du so etwas sagen? Und überhaupt, wenn ich ein Schmarotzer bin, was bist du dann? Nein, du bist natürlich herzlich eingeladen, solange zu bleiben, wie du willst.«
Marco zeigt ihr die Wohnung. Es gibt eine kleine Küche mit einem riesigen Gasherd, ein ziemlich großes Wohnzimmer mit Essbereich, ein Bad und zwei geräumige Schlafzimmer. Die meisten Räume werden von schweren dunklen, orientalischen Möbeln beherrscht. In Valentinas Zimmer stehen ein überdimensioniertes Bett, ein majestätischer Kleiderschrank mit geschnitzten Türen und jede Menge Nippes und Skulpturen – von Fröschen über chinesische Puppen bis hin zu venezianischen Masken.
»Meine Güte, gehört all das Zeug Jake?« Valentina kann sich nicht vorstellen, dass der adrette Jake so etwas sammelt.
»Nein, das hat seiner Oma gehört. Er möchte es loswerden, aber sein Vater will erst vorbeikommen und es durchsehen. Er lebt allerdings in San Francisco, deshalb glaube ich kaum, dass
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