Valentine
als sie es sich jemals erhofft hatte. Als ihre Zungenspitzen sich berührten, meinte sie, wie Eis in der Wärme zu schmelzen. Es war köstlich.
Menschen? Vampire? Ihr wahres Leben war weit weg. Sie waren beide im Nirgendwo, nur mit si ch allein. Es gab kein Köln, keine Prophezeiung, nichts. Es gab nur ihn, seine Hände, die nun sanft ihr Gesicht hielten, seinen warmen Atem, seine Lippen, seine positiven Schwingungen, den Rausch in ihrem Kopf, der nie mehr enden sollte.
Es grenzte an ein Wunder. Innerhalb weniger Tage hatte sie nicht nur das Schloss verlassen und sich ihren Ängsten gestellt , sondern entwickelte Gefühle und Bedürfnisse, die tief in ihr verschlossen gewesen waren. Es gibt mich noch. Ich lebe noch. Bewusster und intensiver als in all den vergangenen Jahrhunderte n .
Sein Kuss schmeckte so gut , und es fühlte sich so richtig an, dass sie gar nicht mehr aufhören wollte. Sie legte ihre Hände auf seine Wangen, um sein Gesicht festzuhalten , und erwiderte seinen Kuss mit wachsender Leidenschaft.
Das Rauschen seines Blutes, das aus seinen Schläfen und seinem Hals in ihren Ohren dröhnte, mischte sich mit dem Rhythmus ihres eigenen, als wären sie im Gleichtakt. Noch im Kuss spürte sie, wie sich ihre Fänge verlängerten und aus den Kiefertaschen schoben. Sein Blut roch süß und verlockend. Vielleicht war doch etwas Wahres an den Geschichten, die sie nur vom Hörensagen kannte, dass es nichts Aufregenderes gab, als am höchsten Punkt sexueller Ekstase das Blut des Partners zu kosten. Ihr Körper vibrierte überall dort, wo es am meisten zu schmerzen, aber auch am süßesten zu pochen vermochte, und sie w ünschte sich, mutiger zu sein und der Lust kopflos nachzugeben .
Als er seine Lippen von ihren löste, barg sie ihren Kopf an seiner Schulter, abgewandt von seinem Hals. Äußerste Selbstbeherrschung war notwendig, nicht der Versuchung eines kleinen Bisses zu erliegen und von ihm zu kosten.
Schließlich nahm er sie an der Hand , und sie schlenderten weiter, sahen sich dabei an und achteten nicht darauf, ob ihnen jemand entgegenkam. Längst spielte der Weg keine Rolle. Es gab kein Ziel, an dem sie ankommen wollten. Sie waren sich beide genug.
»Sollen wir dort reingehen und etwas trinken?« Maurice blieb unvermittelt neben einem Eingang auf der rechten Seite stehen. »Ähm, entschuldige, du trinkst ja wahrscheinlich nur Blut.«
Valentine lachte leise. »Ich glaube, ich muss dich mehr über uns aufklären. Ein Gläschen Wein wäre in Ordnung , und vielleicht gibt es eine ruhige Ecke, wo wir ungestört reden können.« Und küssen, fügte sie in Gedanken hinzu. Küssen. Vergewaltiger und Mörder küssen nicht. Nicht so sinnlich. Das ist es, was mich bei ihm so sicher macht. Ich ahnte nicht einmal, wie aufregend das sein kann. Es ist risikolos, mit ihm dort hineinzugehen . Niemand weiß, wer – oder besser was – ich bin.
Tatsächlich war in einer gemütlichen Nische fern des Eingangs Platz , und sie setzten sich eng nebeneinander. Fast alle anderen Tische waren ebenfalls besetzt , und die Menschen, die dort aßen, tranken und plauderten , nahmen keine Notiz von den neuen Gästen.
Maurice bestellte zwei Gläser Rotwein , und dann erzählte ihm Valentine leise alles Wesentliche , was er über die Vampire wissen sollte . Wie sie ihr Blut unauffällig aus Blutbanken bezogen, durchaus ein gutes Essen und Wein zu schätzen wüssten, und dass einige Vampire, deren Fähigkeiten für die Vampirgesellschaft von großer Bedeutung waren wie die Sucher, zusätzlich durch das reine Blut der virgines sanguinum gestärkt wurden. Ihr selbst half dieses Blut , sich auf die Übersetzung der alten Schriften zu konzentrieren, diese nach geheimen Botschaften zu durchforsten und dazu mit wenig Schlaf auszukommen.
Maurice war ein geduldiger Zuhörer. Von Zeit zu Zeit streichelte seine Hand die ihre.
»Hm, Valentine, wenn ihr heutzutage keine Menschen mehr beißt, dann gibt es ja gar keine neuen Vampire mehr. Sterbt ihr dann irgendwann aus , oder lebt ihr ewig?«
Valentine kicherte amüsiert. »Niemand wird durch Biss zum Vampir. Wir vermehren uns genauso wie ihr Menschen. Nur dauert die Schwangerschaft bei uns vierzehn Monate. « Im Prinzip müsste sie darüber verärgert sein, dass Maurice diesen Unfug glaubte, der das Bild der Vampire in der Welt prägte .
»Ah, wie – das ist nur ein Gerücht?« Maurice riss erstaunt die Augen weiter auf.
»Ja, leider ein ziemliches h artnäckiges.«
Allerdings leben
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