Valentine
zerfetzte. Ein Regen aus Papierfetzen wirbelte durch die Luft, während sie selbst abdrückte. Es war Maurice unverständlich, warum sein Vater nicht in Deckung ging, sondern ganz offen agierte. Geoffrey war allerdings schnell genug zur Seite gesprungen und lachte nun dröhnend.
Maurice gewann den Eindruck, dass sein Vater diese Situation als sportliche Übung betrachtete . Endlich war er selbst nahe genug, um einzugreifen.
»Lass sie gehen!«
Er richtete Ryads Waffe mit ausgestreckten Armen auf Geoffrey. Es war ein Scheißgefühl, den eigenen Vater zu bedrohen. Sein Magen revoltierte, und seine Hände zitterten. Aber ein kurze r Blick auf Valentine genügte, und er wusste, er würde abdrücken. Ihr durfte nichts passieren. Wenn er ihr anschließend alles erklärte, würde sie hoffentlich verstehen, warum er geschwiegen hatte.
Doch Geoffrey lachte nur, als er mit halbem Blick über die Schulter sich der Bedrohung vergewisserte. »Wow, wow. Du nimmst dir etwas viel vor. Mach dich nicht lächerlich. Du wirst niemals auf mich schießen.«
»Oh doch, das werde ich. Leg deine Waffe auf den Boden. Sofort.«
Warum schoss Valentine nicht? Jetzt war eine gute Gelegenheit, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
Geoffreys Lachen wurde lauter und klang nun richtig böse. Maurice umklammerte die Waffe mit schweißnassen Händen. Das war nicht sein Vater, das war ein Fremder, der einen Mord begehen wollte!
»Knie nieder, verdammter Vampir. Wo ist der Rest deiner Sippe?«
Aber Valentine stand einfach nur da und sah ihn an, ihre Waffe im Anschlag.
Als der Vampirjäger einen weiteren Schuss auf sie abgab, drückte Maurice Sekundenbruchteile später ebenfalls ab. Einmal, zweimal, dreimal. Wie durch einen Nebel verfolgte er die roten Flecken, die sich rasend schnell auf Geoffreys Rücken ausbreiteten. Dann stürzte dieser wie ein gefällter Baum nach vorne schwer zu Boden. Seine Waffe fiel ihm dabei aus der Hand, schlitterte über das Parkett und wurde vom Sockel eines Regals gebremst.
Mit zitternden Händen wartete Maurice, ob sein Vater sich noch einmal bewegen würde. Erst die Stimme von Ryad riss ihn aus dieser Starre. Dafür, dass dieser jahrelang mit Geoffrey zusammengearbeitet hatte, klang seine Stimme erstaunlich kühl und sachlich.
»Tja, hätte er eine Schutzweste getragen, wäre ihm das nicht passiert.« Dicke Freunde waren die beiden offensichtlich nicht gewesen.
»Valentine!«
Maurice stürzte hinüber, wo die Vampirin sich gerade erhob. Sie hatte versucht, dem Schuss durch einen Sprung auszuweichen. Dieser hatte daher nur ihren Ärmel gestreift, ansonsten war sie unverletzt. Zumindest äußerlich, denn ihr Blick kündete davon, wie sehr sie sich innerlich verletzt fühlte.
»Zeig mal her. Ist es schlimm?« Er würde sich das nie verzeihen, wenn sie schwer verwundet war und etwas zurückbleiben würde.
Sie wich ihm aus und fauchte ihn an wie eine Raubkatze. »Bleib mir vom Leib, Vampirjäger! Warum hast du mir etwas vorgemacht, du verdammter Lügner? Wolltest du mich auf diese Weise in eine Falle locken?« Ihre Stimme war voller Verachtung.
Maurice hob beschwichtigend die Hände. Sogar jetzt, in ihrer berechtigten Wut und mit den verlängerten Eckzähnen , war sie unsagbar schön. Ihr Anblick machte ihn hilflos. Wenn dies das Ende war und sie sich nie wiedersehen würden, dann würde sein Herz mit diesem letzten Bild entzweibrechen. Seine Brust schmerzte schon jetzt so sehr, als müsste er auf der Stelle sterben.
»Valentine, bitte. Gib mir eine Chance, dir alles zu erklären. Ich wollte es dir immer sagen, aber ich wusste nicht , wie.« Er holte tief Luft. »Valentine, ich liebe dich! Ich kann doch nichts dafür, dass mein … «
In diesem Moment löste sich ihre Gestalt sekundenschnell auf , und sie war verschwunden.
»Valentine!«
Etwas in ihm zerbrach , und sein Herz rutschte ins Bodenlose.
»Lass sie gehen, Maurice. Sie muss das erst mal verdauen.«
Ryad war ihm gefolgt und hatte alles mit angesehen? Und warum hatte er nicht eingegriffen und versucht, Geoffrey zu retten? Der Raum schien auf Maurice einzustürzen. Sein Herz hämmerte schwerfällig wie eine alte Dampfmaschine , und in seinem Kopf war ein unsäglicher Druck. War das alles eben wirklich passiert? Valentine …
Irritiert schaute er auf die Pistole, die er in der Hand hielt. »Warum hast du mir deine Waffe gegeben?«, stieß er mühsam hervor.
»Sie ist nicht registriert.«
Er verstand. Man würde nicht ohne Weiteres herausfinden,
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