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Valentine

Valentine

Titel: Valentine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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allen Einzelheiten erzählt. Davon, wie Geoffrey ihr die Flügel brutal ausgerissen hatte, diese aber binnen vierundzwanzig Stunden nachgewachsen waren. Von der Flucht mit Frédérics Hilfe. Von der Suche nach ihrem wahren Vater und wie Elfenkönig Obodir sie mit Nelrin zwangsverheiraten wollte.
    Angespannt lauschte Maurice ihren Worten und mochte kaum glauben, was Aliénor widerfahren war. Die Elfen hatten seit Jahrhunderten nur unter ihresgleichen geheiratet: Cousin und Cousine, Onkel und Nichte, sogar Geschwister. Deshalb litten sie unter Geburtenrückgang. Da kam dem König Aliénors Blut zur Auffrischung gerade recht, obwohl sie, das Kind einer Menschenfrau und eines Elfen, gemeinhin als Bastard betrachtet wurde. Mit strahlenden Augen erzählte sie ihm, wie Frédéric es ohne sie nicht mehr ausgehalten hatte, wie er sie bei den Elfen besuchen wollte und von diesen gefangen genommen worden war.
    Maurice schmunzelte angesichts der Vorstellung, dass der stolze starke Vampir ein Gefangener der Elfen gewesen war. Es musste Frédéric unglaublich gedemütigt haben.
    Zu guter L etzt hatten Nelrin, Aliénor und ihr Vater Aldin die Revolution gegen den Elfenkönig angeführt. In den Wirren des Umsturzes war es Aliénor gelungen, ihren Geliebten zu befreien und mit ihm in sein Schloss zurückzukehren.
    Alles in allem klang ihre Geschichte spannend wie ein Thriller, fand Maurice. Dass seine Mutter inzwischen im Elfenland Zuflucht gefunden hatte, dass es ihr dort gefiel und sie aktiv bei der Vorbereitung demokratischer Wahlen half, war ihm allerdings unverständlich. Alle Errungenschaften moderner Industrie fehlten dort. Keine Elektrizität, keine Waschmaschine, keine Computer … Die meisten Elfen wohnten in bescheiden möblierten Erdlöchern oder schlichten, aus Pflanzen gefertigten Hütten. Selbst das Leben im Schloss, dem künftigen Regierungspalast, gestaltete sich vergleichsweise einfach.
    Da im Umkreis von Brocéliande keine Handymasten standen, war keinerlei spontane und direkte Kommunikation möglich. Frédéric hatte den Elfen empfohlen, ganz altmodisch Brieftauben zu züchten und zu trainieren, doch es würde dauern, bis ein solcher Botenflug eingerichtet war.
     
    Die Entscheidung zur Abreise wurde Maurice und Aliénor von Frédéric abgenommen. Beide leisteten Valentine in der Bibliothek Gesellschaft und lernten von ihr die Technik zur Sichtbarmachung verborgener Geheimtexte, als Frédéric hereinkam und vorsichtig ein Gefäß auf dem Tisch abstellte, das in schwarzen Stoff gehüllt war.
    Er beugte sich zu Aliénor herab, gab ihr einen Kuss und setzte sich neben sie. Seine Haare waren feucht vom Regen , und er strich mit gespreizten Finger n hindurch, ehe er auf das Mitgebrachte deutete.
    Aliénor schlug neugierig den Stoff auseinander. Zum Vorschein kam eine schwarz glänzende Urne mit Goldrand.
    Maurice stockte der Atem. Er bemerkte, wie Aliénor das Blut aus dem Gesicht wich. »Ist das etwa Vaters Asche?«, fragte er, nachdem er sich geräuspert hatte, aus Sorge, dass seine Stimme versagen würde.
    Frédéric nickte.
    »Hast du sie gestohlen?«
    »Ryad d’Or hat sie mir gegeben. Nun könnt ihr gemeinsam mit Chantal entscheiden, wo und wie ihr ihn beerdigen wollt oder ob ihr seine Asche in den Wind streut.«
    Die Idee könnte Maman gefallen, überlegte Maurice. In ihrer Familie gab es niemanden, der das Grab eines Verstorbenen besuchte und ehrte. Vielleicht wäre Frédérics Vorschlag die beste Idee. Er wunderte sich, dass das Beerdigungsinstitut die Urne so ohne Weiteres herausgegeben hatte, andererseits wollte er die genauen Umstände gar nicht wissen. Vielleicht hatte Ryad sie tatsächlich gestohlen.
    »Wann wollt ihr beiden nun endlich nach Brocéliande reisen, um es Chantal zu sagen?« Ein vorwurfsvoller Unterton lag in Frédérics Frage. In gewisser Weise hatte er R echt. Sie rissen sich beide nicht um diese Aufgabe. Andererseits musste es sein.
    Maurice holte tief Luft, um den Druck in seiner Brust zu bekämpfen. »Heute. Wenn du uns bitte dein Auto leihst.«
    Ein zufriedenes Lächeln s tahl sich auf Frédérics Lippen. »Es steht schon aufgetankt vor der Tür.«
     
    * * *
     
    Das autointerne Navigationssystem leitete Aliénor und Maurice sicher bis zum drei Stunden entfernten Parkplatz im Wald von Brocéliande. Westlich von Rennes in der Hochbretagne gelegen , war er auf offiziellen Karten als Wald von Paimpont verzeichnet, dem Herz der Bretagne und der größte Wald der gesamten Region. Von hier

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