Valentine
von einer Galerie umsäumt, die sich nach innen mit Rundbogen öffnete, die von weiß marmorierten Säulen getragen wurden. Künstliche Blumengirlanden, aus Glas oder bunt aufgemalt, rankten sich rundum empor. Maurice konnte sich an den feinen Formen nicht sattsehen.
Im ersten Stock lehnte ein Elf über der Brüstung und winkte ihnen zu. Aliénor nahm die Abkürzung durch die Luft. Pfeilschnell flog sie hinauf, hechtete lässig über das Geländer und fiel dem Elf um den Hals.
»Das ist mein Vater, Aldin«, stellte sie vor, als Maurice die Galerie erreichte.
Aldin streckte ihm seine Hand entgegen. »Und du bist also Maurice. Aliénor hat mir schon viel von dir erzählt. «
Der dunkelblaue Kaftan und der goldbestickte Schal über den Schultern verliehen dem Elf etwas Würdevolles. Maurice erwiderte den Händedruck.
»Kommt ihr mit der Arbeit voran, Papa?«, fragte Aliénor.
»Ja, in vier Wochen sind freie Wahlen , und danach wird es ein Parlament geben, bestehend aus zehn Personen und einem Präsidenten.« Aldin strahlte Zufriedenheit aus.
»Seit wann gibt es denn die Spalte dort draußen?« Maurice war nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Erde jederzeit an jeder beliebigen Stelle aufreißen konnt e. Diese Bedrohung war bedeutungsvoller als die anstehenden Wahlen.
»Seit neun Tagen. Zum Glück blieb das Schloss davon verschont , und es ist auch sonst niemand zu Schaden gekommen. « Entweder war Aldin sehr beherrscht , oder er maß der aktuellen Lage zu wenig Bedeutung bei. » Kommt, wir suchen Chantal . Sie freut sich bestimmt riesig, euch beide zu sehen . «
Ein flaues Gefühl drückte Maurice auf den Magen. Gleich würde er seiner Mutter den Tod ihres Mannes mitteilen müssen. Auch wenn seine Eltern zuletzt nicht gut miteinander ausgekommen waren, mussten sie sich irgendwann einmal geliebt haben , und er hatte keine Ahnung, wie Maman die Nachricht aufnehmen würde. Außer Ryad, Frédéric und Valentine wusste niemand, dass Geoffrey durch die Hand seines Sohnes gestorben war. Sie waren überein gekommen, dies für sich zu behalten. Nicht einmal Aliénor kannte die Wahrheit. Es zu wissen würde sie und Chantal unnötig in Gewissenskonflikte stürzen . So jedoch bestand die Chance, dass sie das Kapitel Geoffrey bald für sich abschließen würden.
Kapitel 26
Sehnsüchtig erwartete Valentine die Rückkehr. Maurice war erst vierundzwanzig Stunden fort, fehlte ihr jedoch gefühlte acht Tage. Die wenige Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, war wie Balsam für ihre Seele und ihren Körper gewesen , und sie wollte ihn nicht mehr missen, auch wenn sie genau wusste, dass die gemeinsame Zeit endlich war. Wenigstens die Erinnerung daran würde ihr niemand jemals nehmen können , und sie wollte jeden Tag bewusst erleben, als wäre er der letzte.
Während sie eine Pergamentrolle auf dem Tisch ausbreitete und die Enden beschwerte, lauschte sie den Nachrichten aus dem Radio. Sie waren voll von neuen Katastrophen wie Tsunamis an vielen Küsten. Vulkane brachen aus, die seit langem als erloschen galten und nun das Umland in Gefahr stürzten. Riesige Aschewolken verdunkelten den Himmel Tag und Nacht, irritierten Tiere und Pflanzen und führten zu einem ungewöhnlich heftigen Temperatursturz von der Türkei bis Portugal, von Skandinavien bis Gibraltar. Besonders schlimm stand es um den Rheingraben und die Großstädte in seinem Einzugsbereich.
Vibrierend wanderte Valentines Mobiltelefon über die glatte Tischoberfläche, bis ihre Hand danach griff. Eine SMS von Maurice. Um sie abzuschicken, musste er das Elfenland verlassen haben.
»Geht’s dir gut, Liebste?«
»Alles okay. Du fehlst mir. Wann kommst du?«, simste sie zurück. Obwohl das Tippen der Buchstaben auf der kleinen Tastatur und die Technologie für sie ungewohnt waren, hatte sie das Prinzip schnell verstanden und ihre SMS sekundenschnell verschickt.
Seine Antwort ließ nicht auf sich warten. »Nach der Beerdigung.«
Sie hatte mehrmals versucht, mit ihm darüber zu sprechen, wie er sich dabei fühlte, seinen Vater erschossen zu haben. Aber Maurice hatte jedes M al mit den Worten abgeblockt, es wäre nun mal passiert und nicht zu ändern. Sie nahm ihm diese Coolness nicht ab. Er war viel zu feinfühlig, um dieses Erleb nis einfach zu verdrängen. Vielleicht würde ihm die Beerdigung helfen, den Tod seines Vaters zu verarbeiten.
»Bin in Gedanken bei dir«, schrieb sie zurück.
»Je t’aime. À bientôt.«
Wie wohl ihre Eltern auf die
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