Valentine
Tür in das Zitat ein. » Einer im Wandel, der Form nicht treu . Was beim Hüter ist denn hier passiert?«
Olivier trat mit knirschenden Schritten in den Saal. Er war nicht alleine. Instinktiv wich Maurice angesichts der Raubkatze einen Schritt zurück. Neben Olivier betrat ein bildschönes schwarzes Leopardenweibchen fauchend den Saal. Die bernsteingelben Augen leuchteten wie Sterne , und aus de m geöffneten Maul blitzte ein Paar beeindruckend spitzer Fangzähne hervor. Mit geschmeidigem Sprung setzte die Leopardin auf eine Recami è re an, wo sie in S ekundenschnell e eine menschliche Form annahm, Kleid und Schuhe anzog, die Olivier mitgebracht hatte und ihr zuwarf.
» Einer im Hellen Zuhause, doch im Dunkel ohne Gefahr «, rezitierte die Gestaltwandlerin weiter, die auch in menschlicher Form nicht weniger schön war. Schlank und groß, mit rabenschwarzen kurzen Haaren, die wild vom Kopf abstanden. Die Augen waren selbst jetzt noch bernsteingelb und verliehen ihr zusammen mit der leicht bronzierten Haut einen exotischen Touch.
»Damit seid wohl Ihr gemeint, ein Mensch«, meint e sie mit schnurrendem Unterton, wobei sie Maurice mit kokettem Augenaufschlag fixierte.
Ihr Blick ging ih m durch und durch , und er fragte sich, ob sie ihn mehr als Mann oder mehr als Beute betrachtete. In ihrer Leopardengestalt wollte er ihr jedenfalls nicht allein begegnen.
»Wieso gerade ich?«, presste er hervor.
»Weil uns alle dasselbe Schicksal verbindet«, erwiderte Valentine. Wenn sie dieser Meinung war, dann würde es wohl stimmen.
»Darf ich vorstellen: Tiziana aus Italien«, sagte Olivier. »Mit Vorfahren aus Indien, Afrika und Europa. Wenn wir mal Zeit haben, ist das eine abendfüllende Geschichte.«
»Ich dachte, du warst in Irland und Schottland unterwegs?«, fragte Valentine stirnrunzelnd.
A nstelle einer Antwort zog Olivier nur die Schultern hoch. Er brachte eben mal von hier, mal von dort etwas von seinen Reisen mit. In der Regel antikes Schriftmaterial.
»Wie geht die Prophezeiung denn nun weiter?«, drängte Maurice. Er legte einen Arm um Valentine, in dem drängenden Verlangen , ihr ganz nah zu sein und Tiziana klar zu signalisieren , dass er bereits vergeben war.
» Einer schwerelos im schattenlosen Zwielicht «, ergänzte Frédéric, »also eine Elfe oder ein anderes Wesen, aber es kann nicht Aliénor gemeint sein. Es muss jemanden geben, der von Geburt an Flügel trägt. Wir müssen herausfinden, ob eine der Elfen in Brocéliande einen Kristall besitzt. Falls nicht – nun ja«, er verzog dem Mund zu einem müden Lächeln, » dann müssen wir ein anderes Elfenvolk finden. Tja, und dann heißt es noch Einer in Vollkommenheit ohne Gestalt. « Das Lächeln, mit dem er das Kind anschaute, war herzlich. » Doch Einer bindet alle. « Voller Liebe zog er Aliénor in seine Umarmung. »Es muss wohl eher heißen: eine.«
Kapitel 25
Die nächsten Tage und Nächte zogen sich träge dahin. Alle Neuigkeiten waren in stundenlangen Gesprächen ausgetauscht worden, bis jeder sich auf dem aktuellen Stand befand. Tiziana verbrachte viel Zeit mit Magdalena. Für beide stellte das Tageslicht keine Gefahr dar. Maurice fragte sich, ob Magdalenas Transparenz tatsächlich nachließ oder ob er sich einfach so sehr an ihren Zustand gewöhnte, dass er sie inzwischen physischer wahrnahm. Roxanne jedenfalls war in ihrem Element und hatte für das Kind hübsche Kleider genäht, die es voller Stolz und Freude trug.
Fieberhafter denn je durchforsteten die Sucher antike Schriften, wobei Aliénor und Maurice sich ein wenig überflüssig vorkamen. »Was ist denn nun mit Brocéliande? Wir sollten Maman besuchen«, mahnte Maurice. Ich kann es nicht ewig vor mir herschieben, sie mit Papas Tod zu konfrontieren. Die Schuld lag ihm wie Blei im Magen. »Und wir müssen die Elfen fragen, ob jemand von ihnen einen Kristall besitzt . «
Aliénor wiegte unentschlossen den Kopf hin und her. »Als ich bei den Elfen war und mit Nelrins Hilfe geflüchtet bin, musste ich meinen Kristall einsetzen, um Frédéric zu befreien. Da hätte Nelrin bestimmt gesagt, dass er so einen schon mal gesehen hat.«
»Es kann aber auch sein, dass irgendeine der anderen Elfen einen magischen Kristall besitzt und ihn noch nie jemandem gezeigt hat«, wandte Maurice ein, »aus Angst, man könne ihn ihr wegnehmen, zum Beispiel.«
Diese Begründung leuchtete Aliénor ein. Mittlerweile hatte sie ihm alles, was vor und seit ihrer Flucht von z uhause geschehen war, in
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