Valentine
war bereits übereingekommen, dass einige heiratswillige Elfen zwischen den beiden Völkern umziehen würden.
Damit die Elfenfrauen in der Lage wären, ihre Stimme bei den anstehenden Wahlen eigenständig abzugeben und künftig ihre Rechte als ebenso vollwertige Mitglieder der Gesellschaft wahrzunehmen wie die Männer, bedurfte es einer entsprechenden Schulung. Aldin erklärte Aliénor und Maurice, dass Chantal dafür sehr viel Geduld aufbringe.
Die meisten Elfen trugen noch die traditionellen Kleider aus halb transparent em weiße n Stoff. Maurice wagte angesichts ihres fast nackten Auftretens kaum hinzusehen und schaffte es dennoch nicht, seinen Blick abzuwenden. Denn sie waren alle hübsch und anmutig anzuschauen . Chantal hingegen war mit einem langen figurbetonten Kleid aus dunkelblauem Stoff bekleidet, das trotz des schlichten Schnitts elegant und fürstlich wirkte.
Als die beiden mit Aldin den Saal betraten, hob Chantal den Kopf, stutzte, als sie die vermeintlichen Störenfriede erkannte , und eilte ihnen dann mit einem heiteren Lachen entgegen. »Aliénor! Maurice – was machst du denn hier?«
Chantal drückte ihren Sohn an sich und küsste ihn auf die Wange. In den letzten Jahren war er diesem Abknutschen, wie er es nannte, möglichst ausgewichen. Heute hingegen empfand er es befreiend, seine Mutter glücklich und wohlauf wiederzusehen, und erwiderte ihre Begrüßung, indem auch er sie auf die Wange küsste . Ihre Fröhlichkeit würde aufgrund der Nachrichten, die er für sie mitgebracht hatte, sowieso bald schwinden.
»Wie ich sehe, hast du meinen Anruf erhalten. Aber wie hast du Aliénor und mich gefunden?«
Wachsendes Unbehagen erfüllte Maurice. »Das ist eine etwas längere Geschichte. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
Während Chantal ihn reaktionslos ansah, hatte Aldin scheinbar begriffen, dass ihr Besuch alles andere als zufällig oder nur um des Wiedersehens willen stattfand.
»Kommt, wir gehen nach nebenan«, schlug er vor, legte seinen Arm um Chantals Taille und schob sie sanft vorwärts.
»Aber … ich kann jetzt nicht …«
»Doch, geht schon mal, ich komme gleich nach«, bestimmte Aldin und ging hinüber zu den wartenden Elfendamen, um ihnen mitzuteilen, dass der Unterricht für heute beendet sei.
Der Saal war in Rosa und zartem Gelb gestrichen, hatte bei näherer Betrachtung seine beste Zeit jedoch hinter sich. Risse in den Wänden zeugten vom letzten Erdbeben und hatten sich tief in das Mauerwerk gegraben. Ein mehrarmiger Kerzenleuchter war von der Decke gestürzt, hatte ein Loch in Decke und Fußboden hinterlassen und lag nun verbeult in einer Ecke.
Das Sitzmobiliar war alt. Zwei Sofas, drei Sessel, zwei Schemel ohne Lehne, alles um einen ovalen Holztisch mit Intarsien gestellt . Die Fenster bestanden aus kleinen farbigen Butzenscheiben, die bis auf ein Oberfenster unversehrt waren und bunte Lichtstrahlen in den Raum warfen.
Chantal setzte sich Aliénor und Maurice gegenüber. Aldin nahm neben ihr Platz, ergriff ihre Hand und zog sie auf seinen Oberschenkel. Hatte seine Mutter etwa ein Liebesverhältnis mit dem Elfen? Obwohl es Maurice merkwürdig berührte, die beiden so vertraut miteinander zu sehen, empfand er Erleichterung. Wenn es so war, dann würde Aldins Nähe ihr helfen, die schlechten Nachrichten zu verkraften .
»Maman, wir sind aus einem bestimmten Grund hier.« Maurice senkte den Blick und fixierte einen Punkt auf dem fleckigen abgenutzten Teppich zu seinen Füßen. »Es ist etwas passiert. Du weißt ja seit kurzem, dass Papa ein Vampirjäger ist und …« Er stockte.
»Maurice?«
Er zwang sich , aufzusehen und ihr in die Augen zu schauen. »Ich mach ’s kurz. Papa wurde getötet.« Ursprünglich wollte er ihr sagen, dass der Mörder ein Vampir gewesen war. Da es an den Tatsachen nichts änderte, verzichtete er auf dieses Detail. Tot war tot.
Es war so still, dass trotz geschlossener Fenster das emsige Pfeifen und Trällern der Vögel von draußen zu hören war. Aldin legte tröstend einen Arm um Chantals Schultern. Sie schluckte sichtbar.
»Geoffrey – ist – tot?«, hauchte sie. Eine Träne löste sich aus ihrem linken Auge und rollte den Nasenflügel herab . »Wie ist es passiert?«
Das Unbehagen verstärkte sich. Es gefiel Maurice nicht, seine Mutter anzulügen, aber die Wahrheit wäre noch viel schlimmer. »Na ja, so ganz genau weiß ich das auch nicht. Als man ihn fand, war er schon tot. Erschossen.«
Entsetzt schlug Chantal
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