Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Feuer dann ausgehen lassen und warten, bis der Krug abgekühlt war.
***
Als es so weit war, holte er ihn aus dem Ofen und stellte das noch warme Gefäß auf seine Werkbank. Er bürstete den Ruß ab und untersuchte den Krug. Er war ausgezeichnet geworden: innen und außen schwarz, ein mattes Kohlschwarz. Der Töpfer bürstete den Krug nochmals ab, diesmalmit einer Rosshaarbürste. Zwischen den Bürstenstri chen pustete er darauf, sodass jedes Mal Rußteile wie Schießpulver in die Luft flogen und auf die Werkbank wehten. Als der Krug ganz sauber war, trat der Töpfer einen Schritt zurück, betrachtete ihn und schüttelte den Kopf. Es war wahrscheinlich das beste Stück Keramik, das er je gestaltet hatte. Er sah sich in der Werkstatt nach etwas Vergleichbarem um, nach einem Stück, das der Inbegriff von über fünfzig Jahren Töpferarbeit war, aber es gab kein solches Stück – nichts von dem, was in seiner Werkstatt stand, war auch nur annähernd so gut wie der Krug, den er gerade für Valeria gemacht hatte.
Natürlich standen überall schöne Stücke, die qualitativ hochwertig waren. Er hatte Weinbehälter und Kerzenhalter gemacht, die jedoch bloß solide gearbeitete Gebrauchsgegenstände für den Mittelklassehaushalt waren. Dass er diesen Krug geschaffen hatte, entzückte den Töpfer. Er war zum Künstler geworden, zu einem echten Künstler! Was ihn betraf, so gehörte dieses Werk in eine Galerie oder ein Museum. Und das war keine Übertreibung. Er betrachtete es und nickte.
***
Am Nachmittag kam der Töpferlehrling in die Werkstatt. Er polterte zur Tür herein und störte den Töpfer in seiner Konzentration. Er betrachtete gerade den Krug, betrachtete ihn nur, ohne ihn abzubürsten oder abzuwischen. Der Lehrling zog eine Grimasse und versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. Er sah den Krug und pfiff anerkennend.
»Mein Gott, wie schön.«
Der Töpfer lächelte und nickte dankbar.
»Haben Sie den für Valeria gemacht? Sie spinnen. Den sollten Sie für viel Geld in der Stadt verkaufen.«
Der Töpfer blickte auf. Der junge Mann inspizierte dasStück und rechnete aus, wie viel er dafür in der Stadt verlangen konnte. Der junge Mann redete immer davon, die Töpferarbeiten in den Touristenfallen in der Stadt zu verkaufen.
»Versprich mir, dass du kein Wort darüber verlierst.«
Der Lehrling zuckte die Achseln. »Wieso? Der Krug könn te ein kleines Vermögen einbringen.«
»Versprich’s mir«, sagte der Töpfer noch einmal und wurde böse. »Sonst schick ich dich zurück zu deiner Schlosserfamilie. Der Krug ist für Valeria.«
Der Lehrling wurde rot. »Ich versprech, dass ich es niemandem sage.«
Der Töpfer änderte seinen Ton.
»Jedenfalls hast du einen Auftrag. Zsofi Toth war bei mir und hat eine Teekanne und einen Teller bestellt. Ich hab keine Zeit dafür, aber sie hat sowieso darauf bestanden, dass du sie machst.«
Der junge Lehrling nickte beflissen.
»Soll ich sie allein machen? Wollten Sie mir dabei helfen?«
»Allein«, sagte der Töpfer und deutete auf den Krug. »Ich arbeite noch eine Weile hier dran.«
Der Lehrling setzte sich.
»Nimm die Arbeit mit nach Hause«, befahl der Töp fer . »Ich brauch meine Ruhe. Ich muss mich konzentrieren.«
Der Lehrling blickte auf. »Und wenn ich Hilfe brauche?«
»Es ist doch nur eine Teekanne und ein Teller, und nach allem, was man so hört, bist du jetzt ein prima Handwerksgeselle. Die beiden Stücke sollten dir leichtfallen.«
Der Lehrling lächelte und nahm sich einen Sack Ton.
»Und was für ein Teller soll es werden?«
Der Töpfer schaute ihn an. »Sie möchte einen Hochzeitsteller.«
»Zsofi Toth?«, sagte der Lehrling spöttisch. »Wozu braucht sie den denn? Keiner im Dorf würde sie heiraten. Die Männer sehen sie nicht mal an.«
Der Töpfer zuckte die Achseln. »Warum eigentlich? Sie ist doch hübsch.«
Der Lehrling nickte. »Ja, das stimmt. Sehr hübsch sogar – und obendrein nett. Aber haben Sie ihre Mutter gesehen? Eine grässliche Frau. Eine hundsgemeine fette Kuh. Die Männer haben wahrscheinlich Angst, sie ernähren zu müssen. Ich hätte diese Angst.«
Der Töpfer lächelte.
»Sie war sonderbar. Hat gleich nach dir gefragt und war enttäuscht, dass nur ich da war. Jedenfalls hat sie sich jemanden in den Kopf gesetzt.«
Der Lehrling zog die Augenbrauen hoch.
»Vielleicht ist das nur Wunschdenken«, fuhr der Lehrling fort. »Ich frag mich, wer es ist – hat sie keine Andeutungen gemacht? Es gibt ja nicht mehr viele
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