Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Frau winkte. Die beiden waren wie ein Pfauenpärchen.
»Sie sehen großartig aus, Bürgermeister«, sagten die Einwohner, wenn er wieder zur Arbeit kam und die paar hundert Meter auf der Marktstraße zu seinem Büro fuhr.
»Ich fühle mich auch großartig«, rief er aus dem Fenster. »Bald fühlen wir uns alle großartig, wartet’s ab.«
Die Dorfbewohner nickten und tuschelten, gespannt darauf, was er zu berichten hatte. Es lag auf der Hand, dass es gute Neuigkeiten sein würden, die allen Nutzen brachten.
Da der Bürgermeister wusste, wie wertvoll Ibolyas Kneipe für ihn war, wählte er sie für seine öffentlichen Bekanntmachungen. Erst bestellte er eine Runde Bier für alle. Dann ließ er Fotos herumgehen, nach denen alle begierig griffen, und dann setzte er sich, den Bierkrug in der Hand, zu ihnen auf einen Schemel. Ibolya und seine Frau standen direkt hinter ihm, während er seine Wähler mit den Wunderlichkeiten der Welt jenseits des Dorfes erheiterte.
Die Männer und Frauen schüttelten lachend die Köpfe und redeten darüber, wie seltsam die Ausländer doch seien.
»Gott sei Dank leben wir hier«, befanden sie einstimmig.
»Wie halten sie das bloß aus?«, sagten sie kopfschüttelnd.
Der Bürgermeister sah ihnen zu und gab Ibolya einen Wink. Ibolya nickte dann und schenkte sofort eine neue Runde Bier aus. An solchen Abenden wurde viel Geld ausgegeben, und es gab vier oder fünf solcher Abende pro Jahr. Es lief gut zwischen ihr und dem Bürgermeister.
»Sie müssen betrunken werden«, hatte er ihr gesagt. »So betrunken, dass sie zu allem ja sagen. Ich geb drei Runden für alle aus.«
»Einverstanden«, hatte Ibolya gesagt. Sie hatte schnell gelernt, die Tische wegzuräumen und stattdessen zusätzliche Stühle aufzustellen, die sie sich von der Kirche lieh.
***
Unlängst räusperte sich der Bürgermeister nach der dritten Runde Bier und sah zu den Lampen hinauf, die über ihm hingen. Er sah aus, als würde er nachdenken. Dann lächelte er ein wenig und schüttelte den Kopf. Schließlich nickte er allen zu.
»Was ist, Bürgermeister?«, fragten die Männer. »Was für ein Geschäft haben Sie diesmal gemacht?«
»Ich habe alle Brachäcker des Dorfes an die Koreaner verkauft!«, verkündete er. »Sie bauen eine Fernsehfabrik und haben uns eine Million Dollar für das Land angeboten und siebenundvierzig Arbeitsstellen versprochen. Das ist ein sehr gutes Geschäft. Genauer gesagt brauche ich für mein Unternehmen zweiundfünfzig von euch, die die Fabrik bauen.«
Die Dorfbewohner wurden ganz aufgeregt. Ibolya schüt telte den Kopf. Sie wusste, dass eine Million Dollar für so viel Land nicht annähernd genug waren. Sie wusste, dass der Bürgermeister wahrscheinlich mehr bekommen hatte, dass er wahrscheinlich ein Geschäft ausgehandelt hatte, das seinem Bauunternehmen zugutekam – ein Unternehmen, das wegen des verdammten Bahnhofs bereits jede Menge Bargeld kassierte. So etwas machte Ibolya wütend, doch der Bürgermeister merkte das anscheinend und gab schließlich eine vierte Runde Bier für alle aus, und das besänftigte Ibolya ein wenig. Sie fand jedoch, dass sie irgendwann mit dem Bürgermeister reden musste. Wenn sie schon Geschäftspartnerin war, dann wollte sie auch wie eine Geschäftspartnerin bezahlt werden.
Doch ihre Gäste waren betrunken. Sie bliesen Rauch in die Luft und schlugen ihren Freunden anerkennend auf den Rücken. Schließlich bestellten sie sich selbst etwas zu trinken und begannen, darüber zu streiten, wer von ihnen eine der siebenundvierzig Fabrikstellen bekommen würde, von denen der Bürgermeister gesprochen hatte.
»Mich müssen sie nehmen. Ich hab fast mein ganzes Leben als Maschinenschlosser gearbeitet«, sagte ein stäm miger Bursche.
»Du bist ein Trunkenbold. Die Koreaner wollen keine Trunkenbolde. Jeder weiß, dass sie alle hart arbeiten undLeute wie mich suchen, die auch hart arbeiten. Außerdem hast du nicht mal einen Fernseher.«
»Du bist ein Gauner, das weiß doch jeder«, antwortete der stämmige Mann. »Die Koreaner wären schön doof, wenn sie dich einstellen würden.«
Der Bürgermeister hob die Hände und brachte sie zum Schweigen.
»Meine Herren, zum Streiten ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssen alles für den Bau vorbereiten. Dort gibt es auch noch Arbeitsstellen. Ich hab eure Interessen doch immer im Auge.«
Die Männer brüllten Beifall und bestellten die teurere Biersorte. Die konnten sie sich jetzt leisten. Ibolya schenkte
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