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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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Mund küssen.
    Dann dachte der Töpfer an Valeria. Er fragte sich, ob ihr der Krug etwas bedeuten würde, ob sie seine Arbeit über haupt schätzen würde. Ihr Gesichtsausdruck fiel ihm wieder ein, als er ihr sagte, er würde ihr etwas ganz Besonderes machen. Sie hatte die Lippen gespitzt und
Paprikaschoten
gesagt und dabei ein Lächeln unterdrückt. In dem Augenblick hatte er sie ganz reizend gefunden. Sie hatte scheu und ernst und reizend gewirkt, und deshalb hatte er ihr versprochen, in drei Tagen etwas zu machen, was normalerweise sechs Tage dauerte. Er war aufgeblieben, hatte nichts gegessen und getrunken, nur den Ton bearbeitet, die Paprikaschoten poliert und sich verliebt.
    Am dritten Tag, als diese Erkenntnis noch frisch war und er an die Kreationen dachte, zu denen sie ihn vielleicht noch anspornen würde, stand er jäh auf und eilte in seine Wohnung. Er sprang unter die Dusche und wusch den Dreck und den Ton unter seinen Fingernägeln weg. Er schnitt sichdie Nägel, rasierte den Dreitagebart, der ihm im Gesicht und unterm Kinn gewachsen war. Er rieb Haare und Schnurrbart mit Pomade ein, bis sie wie weißes Seidenpapier glänzten. Dann betrachtete er sich im Spiegel. Er fühlte sich prächtig.
    Frisch gebadet, glatt rasiert und in seinem schönsten Anzug, einem Maßanzug aus blauem Gabardin mit breiten Schultern und drei Knöpfen an der Vorderseite – er hatte ihn zur Beerdigung seiner Frau anfertigen lassen – nahm der Töpfer seinen Tornister und band ihn sich über die Brust. Dann rannte er aus der Werkstatt, pflückte schnell ein paar Wiesenblumen, wickelte etwas nasses Klopapier um die Stile und steckte sie in den Tornister.
    Er nahm das erstbeste Geschenkpapier, grünes Seidenpapier, und packte den Krug ein. Er schlug ihn mehrmals ein und hievte ihn dann hoch. Er wog mindestens dreißig Kilo. Er trug ihn zu seinem Rad und band ihn mit Kordeln und Bindfaden auf dem Gepäckträger fest. Er stellte sicher, dass der Krug nicht herunterfallen konnte, stieg aufs Rad und fuhr zu Valerias Häuschen.

VI
     
    V aleria hatte drei Tage damit zugebracht, ihr Häuschen für den Krug herzurichten. Sie hatte beschlossen, gründ lich zu putzen. Sie badete die Schweine und bürstete die Kühe. Sie wischte Staub und polierte die Möbel. Sie machte alle Fenstersimse sauber und wischte den Boden rings um den Herd.
    Zum Schluss schrubbte sie die Verandafliesen und die Zementstufen – bereits das zweite Mal diese Woche. Für sie war das eine Meditation und sie putzte die Stufen, wenn sie das Bedürfnis danach hatte. Schon bald war sie völlig verzückt und von ihren Armbewegungen ganz und gar in Anspruch genommen. Ihr Geist war ohne Gedanken und wurde so ruhig, dass sie, kaum hatte sie mit der Arbeit angefangen, sogar zu pfeifen begann. Ein altes Liebeslied. Etwas aus Kindertagen, eine Melodie voller Sehnsucht. Tief empfundene schreckliche Herzenssehnsucht, unersättlich, unnachgiebig, beinah verzweifelt, wie ein hungriges Kind an der Mutterbrust oder ein Sterbender, der nach Luft ringt. Valerias Kopf war leer und ihr Herz übernahm die Führung, ein verzweifeltes Herz. Erst als sie eine ganze Treppenstufe geschrubbt hatte, hörte sie sich plötzlich selbst, blickte umher und hielt inne. Sie legte die Zunge an die Lippen und merkte, dass sie warm waren und noch dazu feucht. Sie musste sie gespitzt haben, denn sie warenmüde und taten weh. Es war ein schönes Gefühl. Sie berührte sie.
    »Du meine Güte«, sagte sie leise zu sich.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl. Valeria sehnte sich danach, dass sich jemand auf sie legte, sich an sie presste, sie zu Boden drückte und an ihren Haaren zog. Sie erinnerte sich und sehnte sich danach, von einem Mann angefasst zu werden. Sie umarmte sich fest, und das half offenbar. Sie setzte sich auf ihren großen Hintern und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Mit der Hand fächelte sie sich Luft zu und holte tief Atem. Danach blieb sie noch ein bisschen sitzen und konzentrierte sich. Sie kam wieder zu sich und hätte fast wieder angefangen zu pfeifen, verhinderte es aber mit der Zunge. Sie sperrte die Melodie, die in ihr aufstieg, hinter ihre zusammengebissenen Zähne und ließ ihre Schlüssel klirren. Im Nu hatte sie die Sehnsucht ihres Körpers wieder in ihr Herz gestopft und dort in den Schrank – ihre linke Herzkammer – eingesperrt.
    Gelassen fischte Valeria die Bürste aus dem Eimer mit Wasser und machte sich wieder an die Arbeit. Aus Unachtsamkeit war

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