Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Töpfer hatte das früh erkannt und aß seitdem immer schnell auf. Es störte ihn nicht besonders. Der Lehrling jedoch lernte es nie. Wenn sie seinen noch vollen Teller abräumte, beschwerte er sich und jammerte, aber es nützte ihm nichts. Ihre einzige Antwort war das Rascheln ihres Rocks und das Geräusch ihrer flachen Schuhe, wenn sie aus der Werkstatt ging.
»Du bist ein sehr netter Junge«, sagte der Töpfer zu ihm. »Aber nicht gerade der Hellste.«
Der Lehrling sah ihn an.
»Warum stürmt sie immer fort? Ich sag ihr doch nur, was Sache ist. Sie ist wie eine Schwester. Ich will, dass sie weiß, wie Männer wirklich sind.«
Bei diesen Worten dachte der Töpfer an Valeria und hatte wieder Schuldgefühle. Ihre Kommunikation beschränkte sich auf die Briefchen und eine mündliche Mitteilung. Er fand, dass es langsam Zeit wurde, sie zu besuchen. Er konnte es nicht länger verschieben und musste endlich zu ihr. Ihr letztes Treffen lag beinah zehn Tage zurück, und er musste zugeben, dass er sich kindisch benahm.
»Ich geh Valeria besuchen«, erklärte er. »Ich mach Schluss.«
Der Lehrling schüttelte den Kopf.
»Dann viel Glück.«
Der Töpfer stand auf und ging in seine Wohnung hinüber. Er duschte und zog etwas Gutes an, aber nichts zuGutes. Er wollte nicht zu förmlich wirken, und weil er dachte, das wirke lässiger, setzte er tatsächlich eine blaue Kappe auf. Genau das wollte er: lässig bei ihr vorbeischauen. Die Art Besuch, die ein Freund einem anderen Freund abstattet. Nichts Ernstes, nur ein zwangloser Besuch, bei dem er deutlich machen wollte, dass er nicht an einer Liebesaffäre interessiert war.
Der Töpfer ließ den Lehrling an seiner Servierplatte arbeiten und radelte den Hügel hinunter, wobei er darauf achtete, Ibolya auf dem Weg durchs Dorf beiläufig zuzuwinken. Nichts als eine spontane Fahrt mit dem Fahrrad, dachte er. Es klappte bereits.
Ohne große Zwischenfälle gelangte er zu Valerias Häus chen und klopfte an die Tür.
Er musste einen Augenblick warten, dann machte Valeria ihm auf. Sie trug Gummihandschuhe und ein altes Kleid und hatte sich das Haar aus dem Gesicht gekämmt und hochgesteckt. Auf ihrem Kopf prangte ein Knoten, aus dem silberne Strähnen herabfielen, die sie sich hinter die Ohren strich. Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
»Zehn Tage!«, entfuhr es ihr. »Für wen hältst du dich eigentlich? Zehn Tage und ein einziges Briefchen. Du nimmst dir wirklich Zeit für die Vasen.«
Der Töpfer nickte. Er nahm sich Zeit, machte seine Arbeit aber auch gut.
»Moment mal, mein Liebes. Es ist was Besonderes. Ich mach dir was ganz Besonderes. Nur konnte ich mir nicht leisten, die Werkstatt dichtzumachen, wie damals, als ich den Wasserkrug getöpfert hab. Ich komme nur spät am Abend dazu, vor dem Zubettgehen.«
Valeria war offenbar mit der Antwort zufrieden. Sie betrachtete sich in der Fensterscheibe.
»Du hättest mir sagen sollen, dass du kommst«, sagte sie. »Ich bin nicht für Besuch angezogen.«
»Oh, mach dir doch bitte darüber keine Sorgen«, ewiderte er. »Es ist doch nur ein zwangloser Besuch. Du siehst wunderbar aus. Und ich mag deine Handschuhe.«
Valeria zog sie aus und steckte sie in ihre Blusentasche.
»Ich habe die Badewanne geschrubbt. Sie war voller Flecken, die mit Lauge behandelt werden mussten. Das Wasser hier ist sehr hart. Ich wünschte, der Bürgermeister würde etwas dagegen unternehmen, statt sich um seinen verdammten Bahnhof zu kümmern. Die Leute reden ja über nichts anderes mehr. Dass das Wasser nach Metall schmeckt und wir wahrscheinlich alle bald Tetanusspritzen brauchen, spielt offenbar keine Rolle. Ich frag mich, ob der Arzt in letzter Zeit viele Kaumuskelkrampf-Fälle hatte. Was meinst du? Warum werden die Brunnen nicht ausgebessert?«
»Ich weiß nicht.« Der Töpfer zuckte die Achseln. »Aber das mit dem Bahnhof ist schon seltsam. Letzte Woche ist der Bürgermeister bei mir vorbeigekommen und hat mich gebeten, etwas für den Bahnhof anzufertigen. Jemand hat ihm von dem Krug erzählt und dann hat er wohl gedacht, ich könnte bei der Dekoration behilflich sein. Du musst wissen, dass er jetzt mein Stammkunde ist. Er nimmt immer ein paar von meinen Figürchen mit – für seine Frau, der sie so gut gefallen, dass sie sie jetzt sammelt, sagt er. Er hat mich gefragt, ob ich eine in einem größeren Format machen kann, für den Bahnhof.«
»Eine Statue?«, fragte Valeria.
»Ja, genau, eine Statue. Ist das nicht unglaublich?
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