Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
lebendig fühlen, so als hätt ich die ganze Welt in der Tasche. Dieses Gefühl hab ich nicht mehr sehr oft. Mit Ibolya ist es wieder da. Aber dann wieder denke ich manchmal, in Flammen zu stehen, ist auch nicht so toll, wie immer getan wird. Also, verstehst du, ich geh lieber in die Sauna oder in ein Thermalbad. Oder ich rauche oder geh schwimmen und fühle, wie sich meine Muskeln dehnen. Valeria ist so. Die Wahl ist schwer, egal wie alt man ist.«
Der Lehrling hob einen Teller hoch und betrachtete den Stempel auf der Rückseite. Er fuhr mit dem Finger darüber und lächelte.
»Dann entscheiden Sie sich doch für Bigamie«, witzelte er. »Sie müssen nur beide davon überzeugen, dass das diebeste Lösung ist. Das geht sicher. Valeria unter der Woche und Ibolya an den Wochenenden.«
Der Töpfer lächelte ebenfalls.
»Das würde mir wahrscheinlich den Rest geben«, sagte er.
***
Der Töpfer fand, dass sein Lehrling ein anständiger junger Mann war und obendrein ein guter Töpfer. Er hatte Zsofi Toth die Teekanne gebracht, und auch ihre Platte stand kurz vor der Vollendung. Als der Töpfer wusste, wie er Valerias Vasen machen würde, hatte er ihn wieder in die Werkstatt gelassen. Was er ihm jedoch nicht erzählte, war, dass er große Angst hatte, im Alter zu vereinsamen – darü ber konnte er mit niemandem reden. Der Töpfer fühlte sich immer öfter von der Welt abgeschnitten, und als er mit den beiden Frauen zusammen war, hatte er entdeckt, dass jede ihm das Gefühl gab, nicht so isoliert zu sein. Schon allein deswegen konnte er es nicht ertragen, zwischen ihnen wäh len zu müssen.
***
In letzter Zeit war der Töpferlehrling guter Dinge. Er war oft mit Zsofi zusammen, sie hegten aber keine romantischen Gefühle füreinander, das erklärte er zumindest dem Töpfer. Doch eine halbe Stunde nach ihrem Gespräch kam Zsofi zu Besuch. Sie besuchte die beiden neuerdings oft. Als der Lehrling ihr die Teekanne gebracht hatte, war sie begeistert gewesen und seitdem war sie immer wieder unangekündigt in der Werkstatt aufgetaucht, hatte etwas zu essen mitgebracht und ein bisschen aufgeräumt und bei den Männern gesessen, was ihnen gefiel und ihnen Hoffnung gab. Der Töpfer mochte sie sehr – sie war jung und hübsch, gesund und klug. Sie scherzte mit ihnen und erzähltefrivole Geschichten über die Männer, denen ihre Mutter in ihrem Leben begegnet war. Einer war ein seltsamer Fremder, der kaum ihre Sprache konnte und bei ihnen wohnte, als sie klein war. Er war Ingenieur, und ihre Mutter war wahnsinnig in ihn verliebt, sie schreckte nicht davor zurück, einen Schuss Weinbrand in Zsofis Saft zu tun, damit sie einschlief. Dann blieb sie mit dem Pensionsgast auf und hatte etwas mit ihm.
»So sagt meine Mutter dazu: etwas haben.«
Wie sich herausstellte, war der Pensionsgast verheiratet. Seine Frau war anscheinend noch dicker als ihre Mutter und fing an, Päckchen und unanständige Fotos von sich zu schicken. Als ihre Mutter sie beim Putzen in seinem Zimmer fand, warf sie ihn aus dem Haus und weinte eine Woche.
Dem Töpfer machten Zsofis Geschichten Spaß. Im Beisein des Lehrlings sagte er schäkernd zu ihr, wenn er jünger wäre, würde er ihr einen Heiratsantrag machen und an einen schönen Ort mit ihr fahren.
»Sie sind lieb«, sagte sie und sah den Lehrling an.
»Vorsicht«, entgegnete der Lehrling. »Er ist nicht so lieb, wie er aussieht. Die Großvaternummer ist nur ein Trick. Ehe man sich’s versieht, hängt man ausgestopft an der Wand. Er ist ein echter Gigolo.«
Wenn das Thema Ehe aufkam, äußerte sich der Lehrling nicht weiter. In derartige Gespräche ließ er sich nicht verwickeln. Er bearbeitete den Boden ihrer Platte mit einem Tonmesser aus Holz.
»Also, ich würde gern irgendwann heiraten … und zwar bald«, sagte Zsofi.
»Natürlich, das wirst du auch, mein Liebes«, sagte der Töpfer. »Du hast viel zu bieten. Jeder Mann wird sich glücklich preisen, wenn er dich bekommt.«
»Wieso?«, mischte sich der Lehrling ein. »Ich heirateganz bestimmt nicht. Zu viele Probleme und Genörgel. Ich bleib so lang wie möglich Junggeselle.«
Der Töpfer sah, wie Zsofis Miene sich kurz verdüsterte. Sie wurde plötzlich kühl und stürmte fort, nach Schätzung des Töpfers mindestens zum tausendsten Mal. Jedes Mal wenn der Lehrling solche Kommentare abgab, räumte sie ihnen die Teller ab – egal ob sie fertig gegessen hatten oder nicht –, sagte auf Wiedersehen und verließ die Werkstatt. Der
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