Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
dem Kopf durchs Dorf laufen – so viel Aufmerksamkeit schenkt man ihr«, sagte Ibolya.
Sie blickte zu ihren Stammgästen, die jetzt alle fröhlich tranken – Valeria war kein Thema mehr. Nur Ibolya dachte noch an sie und lachte im Stillen. Bauern, weiter nichts. Sie dachten nur ans Wetter und an das, was direkt vor ihrer Nase war. Sie stolperten von einem glänzenden Stein zum nächsten und dachten nie lange genug nach, um das Warum und Weshalb zu verstehen oder zu sehen, was möglichwar. Sie dachten nur an ihre Ernte, ob sie sie einbringen konnten und wie hoch ihr Ertrag sein würde. Während es Ibolya eigentlich einzig und allein um die Frage ging, wie viel sie nachgeben konnte.
»Ich schreib ihm ein paar Zeilen«, flüsterte sie vor sich hin. »Ich verzeihe ihm. Er kommt zu mir zurück.«
X
D er Töpfer bekam zwei Briefchen. Das eine war von Ibolya, ein roter, parfümierter Umschlag, mit einem Kuss darauf. Das andere war von Valeria. Es war ein schlichter weißer Umschlag mit geprägten Blumen. Die Umschläge hätten nicht unterschiedlicher sein können, aber in den Briefchen stand fast dasselbe. Beide Frauen waren vom Töpfer enttäuscht. Sie prangerten ihn wegen seiner Grausamkeit an. Die Schriftzüge waren ins Papier gegraben. Am nächsten Tag schickte er beiden Frauen eine kurze Nachricht, beiden dieselbe: Er entschuldigte sich für sein Fernbleiben, erklärte jedoch, dass er sehr viel zu tun habe. Dann legte er die beiden Schreiben in eine Schublade und versuchte, sie erst einmal zu vergessen.
Aber ganz behaglich war ihm nicht dabei, und als der Lehrling in die Werkstatt kam, sprach er sofort über Ibolyas Brief. Immerhin hatte er viel Zeit mit ihr verbracht. Auch wenn man nicht sagen konnte, dass seine Schuldgefühle ihm das Herz brachen, so hatte er doch ein schlechtes Gewissen.
»Hat sie Ihnen verziehen?«, fragte der Lehrling.
»Das schreibt sie in ihrem Briefchen«, erwiderte der Töpfer. »Sie hat mir verziehen und möchte wieder mit mir zusammen sein.«
»Ibolya hat Ihnen einen Liebesbrief geschrieben? Parfü miert und mit einem Kuss darauf? Kaum zu glauben. Ich fasse es nicht.«
Der Töpfer gab ihm den Brief zu lesen. Der Lehrling schüttelte den Kopf.
»Sie ist nicht die Einzige«, sagte der Töpfer.
»Was? Valeria etwa auch? Unglaublich. Was hat sie geschrieben?«
»Auch sie hat mir verziehen.«
»Sie hat Ihnen verziehen? Sie sollte Ihnen danken.«
»Mein Betragen danach hat sie mir verziehen. Ich habe mich beiden gegenüber schäbig benommen.«
»Aber was wollen sie denn?«
»Sie wollen, dass ich mich entscheide.«
Der Lehrling schüttelte den Kopf und grinste.
»Ihr solltet euch alle schämen. Ihr seid alt genug fürs Altersheim. Das ist Wahnsinn. Ihr seid schlimmer als Teenager. Wie haben Sie reagiert?«
»Ich habe beiden für ihre Freundschaft gedankt und erklärt, dass ich sie in nächster Zeit nicht treffen kann, weil ich zu viel zu tun hab.«
»Und dann?«
»Ibolya hat mir noch ein Briefchen geschickt und geschrieben, sie würde nicht aufgeben, komme, was wolle. Valeria hat mir ausrichten lassen, dass ich sie besuchen soll. Das tue ich wohl auch. Ich arbeite an ihren Vasen, was in Ordnung ist, aber ich will nicht, dass sie da etwas hineininterpretiert.«
»Was soll sie denn denken? Sie haben mit ihr geschlafen! Mit beiden haben Sie geschlafen. Und wenn die Sache sich so verhält, warum wollen Sie Valeria dann überhaupt besuchen? Machen Sie einfach die Vasen fertig, dann bring ich sie ihr. Oder lassen Sie es bleiben. Sie führen beide an der Nase herum, alter Herr! Sie sind ein Gigolo! Sie verwechseln sich mit einem Italiener.«
Der Töpfer zuckte die Achseln. Er wusste nicht mehr weiter.
»Ich will jetzt nicht darüber nachdenken«, erwiderte er. »Ich muss die Vasen fertig machen.«
»Die Vasen für Valeria?«
»Ja.«
»Sie sollten sich untersuchen lassen.«
»Sie hat einen tollen Hintern.«
Der Lehrling lachte. »Von wem reden Sie? Ich weiß nicht, wen Sie meinen.«
»Ibolya ist sehr feurig.«
»Sie sind verrückt.«
»Die eine ist ein Vulkan, die andere ein Ozean. Wie soll man sich da entscheiden. Wie du siehst, bin ich in einer Zwickmühle.«
»Sie haben die Wahl zwischen zwei Übeln: Verbrennen oder Ertrinken. Umkommen werden Sie auf alle Fälle.«
Der Töpfer unterbrach seine Arbeit und blickte auf.
»Nein, nein. Manchmal brauche ich das Feuer, damit ich merke, dass ich noch lebe. Das verstehst du erst, wenn du älter bist. Ich will mich
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