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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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er unverzüglich an und flickte das Loch, selbst wenn er sich gerade auf einer vielbefahrenen Hauptverkehrsstraße befand.
    Sechs Monate im Jahr fuhr der Schornsteinfeger mit dem Fahrrad – und immer im Frühling, wenn die Leute die Fenster öffneten und Frühjahrsputz machten. Ihm war nicht bewusst, dass die Fertigung dieses Fahrrads unter einem ungünstigen Stern gestanden hatte – doch gehörte er ohnehin nicht zu den Menschen, die an so etwas glaubten.
***
     
    Als der Schornsteinfeger den kleinen Berg außerhalb von Zivatar hinaufgeradelt war und hinunterschaute, war er verblüfft, wie groß das Dorf war. Er suchte nach einem Straßenschild und sah auf die Landkarte, konnte aber nicht herausfinden, wo er sich befand. Er schaute wieder auf das Dorf hinunter. Es war immerhin ein Städtchen von fast fünftausend Seelen. Dass Menschen so tief in der Steppe Wurzeln schlugen, erstaunte ihn immer. Warum gingen sie nicht in die großen Städte oder in wärmere Gegenden? Der Schornsteinfeger befand, dass es aus Faulheit war. Die breite Masse war faul und bequem. Er konnte also nur zu ihnen kommen und seine Dienste vor Ort anbieten.
    Der Schornsteinfeger machte sich ins Dorfzentrum in der Ferne auf, wo die Kirche mit den Zwiebeltürmen stand. Er radelte an der Werkstatt des Töpfers und an Ibolyas Kneipe vorbei. Er sah das Schild, bemerkte die seltsam aussehende Kneipe, in der er später unbedingt einkehren wollte, doch erst einmal wollte er ins Dorfzentrum, das seiner Schätzung nach noch zwei Kilometer weit entfernt war. Auf der Fahrt dorthin sah er zu den Schornsteinen hinauf, die alle schwarz vor Ruß waren. Er schüttelte den Kopf. Hier war seit Jahren kein Schornsteinfeger mehr gewesen.
    »Eine Goldgrube«, flüsterte er, »hier könnte ich ein Vermögen verdienen.« Und zum ersten Mal seit vielen Monaten lächelte er plötzlich.
***
     
    Die Kinder bemerkten den Fremden und liefen ihm mit ihren Hündchen hinterher. In jedem Dorf in der Gegend war es das Gleiche: Die Kinder sahen ihn von ihren Festungen oder leeren Grundstücken aus und kamen dann mit lautem Hallo zu ihm gerannt. Er musste immer an den alten Schornsteinfeger denken, bei dem er in die Lehre gegangen war. Gleich zu Anfang hatte er zu ihm gesagt: »Die Leute –nicht alle, aber doch die meisten, glauben lästigerweise, dass es Glück bringt, unsereins zu berühren, oder sich von uns berühren zu lassen. In den abgelegeneren Dörfern hält man sogar unseren bloßen Anblick für ein gutes Omen; und wenn sie gleich danach auf eine zerbrochene Glasscheibe blicken, empfinden sie das als doppelten Segen.«
    »Ist das wahr?«, hatte er gefragt.
    »Ja, nur für die Schornsteinfeger ist es kein Segen. Für uns ist es ein Haufen Scheiße. Aber man gibt den Leuten besser, was sie wollen. Ein Lächeln und ein Schulterklopfen wird großzügig honoriert. Du solltest öfter lächeln. Versuch, bessere Laune zu bekommen.«
***
     
    Was den Schornsteinfeger betraf, so gab er nicht allzu viel auf diesen Ratschlag, ja, er scheute sich nicht, die Kinder anzuspucken oder den Hunden einen Fußtritt zu versetzen, um sie sich vom Leib zu halten. Er erachtete dies sogar als seine Pflicht. Wenn sie so unermüdlich und wild durch die Straßen rannten, musste er sie doch anspucken oder treten, sonst würden sie noch von einem Milchlaster überfahren. Und wäre das nicht ein Jammer? Doch, es wäre sehr traurig.
    »Verdammte Köter«, murrte er und schaute ein kleines Kind an.
    Das Kind winkte ihm zu. Der Schornsteinfeger grinste zurück und betrachtete dann die Backsteinhäuschen, die dort seit hundertfünfzig Jahren standen. Sie waren mit der Zeit modernisiert worden, meistens mit Anbauten aus verputzten Zinderblöcken. Die Dorfstraßen hatten Kopfsteinpflaster und waren kaum befahren. Wäre er ein Romantiker gewesen, hätte er seine Freude an dem malerischen Charakter des Dorfes gehabt. Aber er war nicht romantisch. Kopfsteinpflaster war für sein Rad verheerend. Es wür de seinen Kopf durchrütteln und seine Zähne zum Klappernbringen. Bestimmt würde er abends Kopfschmerzen haben.
    »Wie primitiv«, murmelte er und versuchte, die Erschüt terung einzudämmen, damit sich die Felgen nicht verbogen. »Wahrscheinlich alles Affen, die an Inzucht leiden.«
    Doch als er Rauch sah, freute er sich. Auf Rauch fuhr er immer zu, und er erkannte augenblicklich, dass die blauen Rauchfetzen am Himmel aus einem Kamin kamen.
***
     
    Er fragte sich, ob sich die Leute in diesem Dorf leicht

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