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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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das Land angriffen, sind sie an uns vorbeimarschiert. Sie wussten, dass wir hier waren, dachten aber, es lohne sich nicht für sie. Sie schickten ein paar Män ner , die die Kuppeln auf die Kirche bauten. Sie können das dort alles nachlesen«, fuhr die Frau mechanisch fort. »Die Österreicher haben uns auch in Ruhe gelassen. Wahrscheinlich haben die Habsburger nie von uns gehört. Die Deutschen schon, doch genau wie die Türken haben sie es sich nie angeschaut. Selbst britische Panzer sind vorbeigerollt. Meine Eltern standen ganz oben auf dem Berg vor dem Dorf und sahen sie am Horizont. Ist das nicht unglaublich? Nicht mal die Russen machten sich etwas aus uns. Drei Tage lang kamen Panzer aus Russland. Drei Tage lang kamen sie vorbei, die meisten fuhren nach Budapest. Haben sie hier je Halt gemacht? Nein. Ich war damals ein kleines Kind. Das ganze Dorf sah zu, wie sie dort entlangrumpelten. Aber die Partei haben sie uns geschickt. Parteifunktionäre kamen hierher, es waren Ungarn. Doch es hat einfach nicht geklappt. Die Wirkung war gleich null. Die meisten Funktionäre stellten schnell fest, dass sie, kaum waren sie hier, von ihren Vorgesetzten vergessen wurden.Deshalb heirateten sie und ließen sich hier nieder. Sie wurden Teil des Dorfes. Wenn ich es recht bedenke, sollten wir dankbar sein, dass man nicht so leicht zu uns gelangt.«
    Der Schornsteinfeger schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Ich bin mit dem Fahrrad gekommen.«
    Die Frau lachte und streichelte seine Schultern. Sie war ziemlich betrunken und fasste ihn am Kragen.
    »Ja, stimmt genau! Sie wollten wohl unbedingt hierher«, sagte sie.
    Sie fing an, den Schornsteinfeger genüsslich zu betatschen, sodass er zurückwich.
    »Warten Sie. Wieso sind die Kirchenglocken kaputtgegangen? War es eine Bombe? Sicher haben die Bombenschützen das Dorf von oben gesehen. Waren es die Amerikaner? Oder die Briten? Die haben alle Ballungszentren bombardiert.«
    Die Frau lachte und strich ihm übers Haar.
    »Meine Güte, Sie haben aber Phantasie! Nein, hier sind nie Bomben gefallen. Wir hatten einfach Glück. Vielleicht war an dem Tag eine Wolke am Himmel, wer weiß. Nein, ein wütendes Mädchen ist in den Glockenstuhl gestiegen und hat die Seile angezündet, mit denen die Glocken befestigt waren.«
    »Wieso das denn?«, fragte der Schornsteinfeger. »Mitten im Krieg?«
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass hier kein Krieg war. Keine Kriege, keine Revolutionen, keine Gegenrevolutionen. Nur wir, so wie seit eh und je. Ohne besondere Ereignisse. Wenn der Bahnhof fertig ist, kommt das Dorf vielleicht auf Touren. Das könnte nicht schaden.«
    Der Schornsteinfeger schüttelte den Kopf. Er dachte an die zwanzigtausend Forint in seiner Hosentasche. Er war keineswegs traurig darüber, dass er von der Hauptstraße abgezweigt und hierhergeraten war. Er suchte seine restlichenSachen zusammen und bedankte sich für die Schnäpse.
    »Hat die Kneipe am Dorfrand Fremdenzimmer zu vermieten?«, fragte er.
    »Ibolya könnte wahrscheinlich etwas für Sie arrangieren.« Ihre Stimme klang jetzt abgehackt. Er hatte all ihre Avancen zurückgewiesen. »Aber sie ist ein bisschen chaotisch, und ihre Kneipe ist nicht gerade was für vornehme Herren.«
    »Haha«, lachte der Schornsteinfeger, dann verabschiedete er sich von der Frau und ging. Sie verfolgte ihn bis zum Tor, zog an seiner Jacke, aber er befreite sich, und sie konnte ihm nur hinterherwinken, als er davonradelte, wieder den kleinen Berg hinauf, Richtung Hauptstraße. Er blickte sich nicht nach ihr um.
    Als der Schornsteinfeger das Dorf verließ, war ihm etwas durch den Kopf gegangen: Er überlegte, wie es wäre, wenn er für länger bleiben würde. Er wurde älter und wusste, dass er langsam an seine Pensionierung denken musste. Das neue Regime hatte ihn fast vollständig sich selbst über lassen . Er wusste, dass er vom Staat keinerlei nennenswerte Pension zu erwarten hatte. Bei der hohen Inflation konnte sein Geld an Wert verlieren, während er nur zum Markt lief. Der Kapitalismus richtete ihn zugrunde. Vielleicht könnte er sich hier niederlassen und eine schlichte Landbewohnerin finden, dachte er. Vielleicht war das die Lösung: eine betuchte Frau in einem preiswerten Dorf. Eine unkomplizierte alte Jungfer, die es nicht störte, wenn er zechte, und die froh war, dass er bei ihr war. Vielleicht gefiele es auch den Dorfbewohnern, wenn er dablieb, und sollte er tatsächlich bleiben und von Häuschen zu Häuschen gehen, um Kamine und

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