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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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schröpfen lassen würden. Seiner Einschätzung nach war das der Fall, aber er machte lieber die Probe aufs Exempel, hielt an und ging aufs Geratewohl auf eines der Häuschen zu. Die Fensterläden und die Zementstufen vor der Haustür waren frisch gestrichen. Er stand vor dem Tor und klopfte daran. Im Haus bellten Hunde, und eine Frau machte die Tür auf und schaute zu ihm hinunter. Es dauerte einen Moment, bis sie seine Dienstkleidung erkannte, doch kaum hatte sie seine Lederjacke und den Schnurrbart gesehen, stieß sie einen Schrei aus und lächelte ihn an.
    Sie rief ins Haus hinein: »Bela, komm schnell, hier ist ein Schornsteinfeger!«
    Sie verscheuchte die Hunde, rannte die Stufen hinunter, machte das Holztor auf und zerrte ihn hinein. Der Schornsteinfeger mochte diese Frauen, die in abgeschiedenen Gegenden wohnten. Sie langweilten sich und fühlten sich eingesperrt, deswegen konnte man ihnen leicht alles Mögliche einreden. Als sie auf ihn zukam, lächelte er nicht, warf ihr aber direkte lüsterne Blicke zu. Dann nickte er ihr zu und sie durfte ihm auf die Schulter klopfen.
    »Schönen guten Tag! Muss Ihr Schornstein gefegt werden, Fräulein?«, fragte er, obwohl er die Antwort genau kannte.
    »Ja«, erwiderte sie. »Natürlich, das ist schon ewig nicht mehr gemacht worden.«
    »Also, ich nehme fünftausend Forint dafür«, antwortete der Schornsteinfeger. Er achtete genau auf ihre Reaktion, aber sie zuckte nicht mit der Wimper, nickte und strich ihr Kleid glatt. Sie machte sich zurecht.
    »Ja, natürlich«, sagte sie und streichelte sein Blazerrevers. »Was Sie wollen.«
    Der Schornsteinfeger war nicht leicht zu schockieren. Er hatte nicht vorgehabt, so schnell mit der Arbeit anzufangen, aber weil sie seinen Wucherpreis akzeptiert hatte, hatte er das Gefühl, sofort loslegen zu müssen, bevor sie es sich anders überlegte. Er band eine stattliche Reihe Borsten und Bürsten von seinem Fahrrad los und nahm sie in die eine Hand, während er mit der anderen einen Ausziehstab hielt. Er folgte ihr ins Haus und ging zum Kamin. Dann brachte er eine dicke Bürste an dem Stab an, ging über der Feuerstelle in den Kamin, zog den Stab aus und fing an zu fegen. Dass sie ihn hinterher tatsächlich bezahlen würde, glaubte er nicht ganz. Doch als er fertig war, kam sie zu ihm, umarmte ihn liebevoll – und er sie – und überreichte ihm zwei nagelneue Fünftausendforintscheine.
    »Nehmen Sie das«, sagte sie und sah ihm in die Augen. »Es ist ein bisschen mehr. Ich bestehe darauf.«
    Der Schornsteinfeger nahm das Geld und tat es in seinen Ranzen. Er tippte an seinen Hut und schenkte ihr unwillkürlich ein strahlendes Lächeln, statt sie nur schelmisch anzugrinsen, wie er es bei Ehefrauen auf dem Land gewöhn lich tat. An seine Schulter gelehnt begleitete sie ihn zum Tor und dann zum Nachbarshaus. Ihr schweigsamer Ehemann hatte ihm zum Abschied auf die Schulter geklopft. Der Schornsteinfeger hatte bemerkt, dass seine Augen vor Wut flackerten, doch als er sein Haus verließ, zehntausend Forint reicher und umschlungen von seiner Frau, verzog der Mannkeine Miene und sagte kein einziges Wort. Allerdings spürte der Schornsteinfeger den flackernden Blick in seinem Rü cken brennen, als hätte man ihm zwei glühende Kohlen ins Hemd gesteckt. Er tat es mit einem Achselzucken ab und dachte: armer Hund.
    »Eva«, rief die Frau, die ihn begleitete, »komm raus, hier ist ein Schornsteinfeger.«
    Eine andere Frau schaute aus dem Fenster und winkte. Sie kam eilig aus dem Haus und gurrte ihn an. Ein Weilchen schwatzten die Frauen aufgeregt, dann wurde er weitergereicht. Sie verabschiedeten sich voneinander, dann wurde er von der anderen Frau ins Haus geführt. Dort massierte die Frau seine Schulter und der Schornsteinfeger schaute ihr in die Augen.
    »Ich nehme zehntausend Forint«, sagte er, meinte es jedoch nicht ernst und war bereit, Reißaus zu nehmen, weil er fest damit rechnete, dass sie losschreien und die Polizei rufen würde. Aber die Frau namens Eva lächelte ihn nur an und schüttelte den Kopf.
    »Hmmm«, sagte sie und massierte seine Schultern weiter. »Das ist ziemlich viel. Ich muss erst nachsehen, was mein Mann im Safe hat.«
    Sie drückte ihn, ließ ihn los und entschwand aus dem Zimmer, aber erst, nachdem sie ihm ein kleines Glas Branntwein gereicht und auf den Kamin gezeigt hatte.
    Als er mit dem zweiten Kamin fertig war, befand er sich erst einen halben Tag in Zivatar und war berauscht und verschwitzt. Er rieb sich den

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