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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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oder?«
    »Meine Felder«, schrie der Mann, sodass alle, die in der Kneipe saßen, innehielten und die beiden anschauten. »Was soll mit meinen Feldern sein? Ich hab sie erst vor ein paar Tagen überprüft. Haben Sie dort was gesehen?«
    Der Schornsteinfeger zuckte die Achseln.
    »Ich hab gedacht, Ihre Ernte ist vielleicht bedroht, weil es so wenig geregnet hat.«
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Was reden Sie da? Ich habe viel Geld für eine neue Tropfbewässerungsanlage bezahlt. Meinen Feldern geht’s gut. Ich rechne mit einer Rekordernte. Zusammen mit dem Bürgermeister habe ich es sogar bewerkstelligt, dass der überwiegende Teil der Erzeugnisse   – Obst und Gemüse – nach Österreich geht.«
    »Sonnenblumenkerne?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Rüben.«
    »Rüben?«
    »Das Beste, was ich seit Jahren gemacht habe. Zuckerrüben.«
    Der Schornsteinfeger griff über den Tisch und holte sich schnell sein Bier zurück. »Gib das her«, bellte er.
    Der Bauer schrie und sprang auf. Dann griff er sich seinen Stuhl und hob ihn ein Stück hoch.
    »Prügeleien gibt’s bei mir nicht, Ferenc«, rief Ibolya. »Sonst schmeiß ich Sie raus.«
    Den Befehl erteilte sie, während sie einen Schnaps ausschenkte. Sie stand mit dem Rücken zu den Bauern, die den Schornsteinfeger anschauten. Manche erkannten ihn sofort wieder. Ferenc brauchte dafür ein Weilchen, erkannte ihn dann aber auch und stellte den Stuhl wieder hin. Beim Hinausgehen tätschelte er ihm die Schulter und bat ihn um Verzeihung. Der Schornsteinfeger ging durch die Kneipe und setzte sich an einen Tisch mit drei raubeinig wirkenden Gesellen, die von Zeit zu Zeit zu ihm hinübersahen. Er war müde, weil er den ganzen Tag herumgefahren war und Schornsteine gefegt hatte. Am nächsten Morgen wollte er früh anfangen, trank deshalb schnell aus und ging. Er machte sich nicht die Mühe, die Schankwirtin nach einem Zimmer zu fragen. Stattdessen fand er ein Plätzchen weiter oben am Hügel, bei der Werkstatt des Töpfers. Er ging hinüber und steckte den Kopf durch die Tür. Der Töpfer und sein Lehrling saßen an ihren Tischen und arbeiteten.
    »Guten Tag«, sagte der Schornsteinfeger und trat ein. »Ob es Ihnen wohl was ausmacht, wenn ich dort draußen schlafe? Ich bin gerade hier angekommen und hab gedacht, ich könnte vielleicht unter den Pappeln schlafen.«
    Der Töpfer und sein Lehrling schauten ihn an, sahen, dass er Schornsteinfeger war, und baten ihn ins Haus.
    »Das ist absurd«, sagte der Töpfer. »Sie können doch hier schlafen. Hier ist jede Menge Platz.«
    »Nein, vielen Dank«, sagte der Schornsteinfeger. »Es ist warm draußen und ich habe mein Bettzeug dabei. Draußen zu schlafen macht mir nichts aus. Ich wollte Ihnen nur Bescheidsagen, weil ich vielleicht ein Lagerfeuer mache – damit Sie nicht die Polizei rufen müssen.«
    »Nur zu, nur zu«, sagte der Töpfer.
    Der Schornsteinfeger nickte und ging.
    Der Töpfer lächelte.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, sagte er zu seinem Gehilfen. »Ein Nachmittagswunder. Mein Junge, ich glaube, jetzt ist das Glück auf unserer Seite.«
    Der Schornsteinfeger versteckte sein Rad unter einem Busch am Straßenrand und lehnte sich an einen Baum. Er machte ein Feuer und schlummerte dort vom späten Nachmittag bis zum nächsten Morgen. Er träumte von seinem neuen Leben, einer betuchten Frau und dem Batzen Geld in seiner Hosentasche.

II
     
    A m nächsten Morgen rannte eine Riesenhorde kleiner Kinder durch die Straßen, begleitet von einer ebenso großen Hundemeute. Sie machten so viel Krach, dass die Reiher, die auf den Straßenlaternen nisteten, die Köpfe schief legten und träge nach unten blickten. Die jungen Dorfbewohner hatten fast nichts, womit sie sich die Zeit vertreiben konnten, und die Reiher hatten noch weniger Abwechslung – der Schornsteinfeger war deshalb eine Sensation. Die Vögel applaudierten, indem sie krächzten und mit den Flügeln schlugen.
    Zuvor waren die Kinder zu dem Baum gekommen, unter dem der Schornsteinfeger schlief. Sie hatten ihn umringt und mindestens fünf Minuten darauf gewartet, dass er aufwachte. Für Kinder hatten sie viel Geduld. Sie hielten den Atem an, bohrten in der Nase und hockten sich um den schlafenden Schornsteinfeger.
    Das Lagerfeuer war längst ausgegangen und die Kohlen waren kalt geworden. Die Kinder verstanden nicht, warum er so reglos unter seiner rauen Decke lag, einer Decke, mit der bei ihnen zu Hause die Hunde gespielt hatten. Doch in der kühlen

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